"Über Delikatesse der Empfindung"
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Lenz' Spätschrift „Über Delikatesse der Empfindung“, die bisher mit dem Verdikt belastet war, sie zeuge von Lenz' Wahnsinn, wird hier in einer historisch kritischen Ausgabe vorgelegt. Durch eine Auflösung der Anspielungen und durch das Nachzeichnen der Gedanken- und Handlungsstruktur gelingt es, diese wenig rezipierte Schrift zu erschließen. Das Bild vom Psychopathen Lenz wird durch einen Überblick über die Forschungssituation, die Veröffentlichungsgeschichte und eine Handschriftenbeschreibung, sowie Textkommentare und Interpretationen, die der edierten Handschrift von Lenz folgen, in das das Bild eines Autors verwandelt, der sich - bei aller Verhaftung in seiner persönlichen Problematik - durch ein weites Ausgreifen in die internationalen, zeitgenössischen Diskurse auszeichnet. Der Werkinterpretation schließt sich in einem gesonderten Teil eine psychobiographische Interpretation an, die die Bedeutung der Themen für Lenz, insbesondere für die Phase nach 1780, d. h. in der St. Petersburger und Moskauer Zeit, erörtert. Obwohl es Lenz gelingt, seine literarischen Phantasien mit den Problemen einer sich im Umbruch befindlichen europäischen Gesellschaft zu vermitteln, kann er im Text selbst keine Lösungen eigener Konflikte entwerfen. An ihre Stelle rücken regressive Phantasien, deren Unrealisierbarkeit offensichtlich ist.