Ein Niemandsland, aber welch ein Rundblick!

Ob „Märchenfee“, „Geistermetropole“ oder „dunkle Stadt, der ich verfallen bin“ - die Wien-Bilder der 1938 ins Exil Getriebenen sind ambivalent, von Angst und Sehnsucht, von erwartungsvoller Phantasie und realer Verstörung zugleich bestimmt. Dieses „andere“ Wien-Buch eröffnet mit Texten des Exils, die aus der Ferne eine Heimkehr in die „Traumstadt“ imaginieren, und schließt mit späten Reminiszenzen der jüngeren Generation. Im Mittelpunkt stehen autobiographische Texte, Prosa und Gedichte österreichischer Exilautoren, die von erster Rückkehr nach 1945 und von Erfahrungen mit dem Nachkriegs-Wien berichten. Sie betraten die Stadt als „Remigranten“, alliierte Soldaten oder als Spurensucher, niemals als Touristen, und ihre Texte erzählen weniger von Aufbruchsoptimismus und Heimfinden als von Verlust und Fremdgemachtwerden: der Blick in die arisierte elterliche Wohnung oder die Begegnung mit Wienern - selbstmitleidigen Kellnern, nazistischen Hausbesorgerinnen und fremdenfeindlichen Bürokraten -, lassen ihr Exil jetzt doppelt gültig erscheinen. Doch auch Momente wiedergewonnenen Heimatgefühls beschreiben sie, wenn die lange beschworenen Sehnsuchtsbilder an der Wirklichkeit überprüft werden können. Von den Hiergebliebenen zu Außenseitern gemacht, beobachten die Autorinnen und Autoren mit der präzisen Optik von Insidern und empathischer Ironie das posthitlerische Wien zwischen Befreiung und Staatsvertrag, an dem das Gebliebene gespenstischer wirkt als das Zerstörte. Mit Texten von Walter Abish, Günther Anders, Jimmy Berg, Albert Drach, Ernst Fischer, George Clare, Franz Theodor Csokor, Joseph Fabry, Mimi Grossberg, Gina Kaus, Ruth Klüger, Lili Körber, Jakov Lind, Herta Pauli, Alice Penkala, Alfred Polgar, Alice Schwarz-Gardos, Lore Segal, Hilde Spiel, Adrienne Thomas, Berthold Viertel, Ernst Waldinger u. a.