Stehpinkeln, die letzte Bastion der Männlichkeit?
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Gut verständlich und mit Lockerheit und Leichtigkeit geschrieben ist die wissenschaftliche Studie zugleich auch ein kurzweiliger Lesegenuss: Männer pinkeln im Stehen! Lange Zeit war dies in unserem Kulturkreis eine Selbstverständlichkeit, die kaum hinterfragt wurde. Stehpinkeln – für Männer eine Art Biologismus, eine scheinbar natürliche Handlung. Schließlich haben sie ja einen Penis, der es ihnen erlaubt, ja der es aus ihrer Sicht geradezu herausfordert im Stehen zu pinkeln. Ebenso scheinbar naturhaft waren und sind es immer noch die Frauen, die für das Putzen der Toiletten zuständig sind. Als Liebes- und Lebenspartner, Mütter, Töchter oder Putzfrauen schwingen sie Putzlappen, Schwämme und WC-Reiniger, um die streuenden Spuren dieser nicht immer zielsicheren „Urinier-Gewohnheit“ insbesondere auf Sitzklos zu beseitigen. Die vermeintliche „Selbstverständlichkeit“ der männlichen „Ur-Handlung“ Stehpinkeln ist mittlerweile aber ins Wanken geraten: immer mehr Frauen weigern sich, die feuchten Folgen stehpinkelnder Männer hinzunehmen und lautlos hinter ihnen her zu putzen. Ein alltäglicher Konflikt ist zwischen sitzpinkelnden Frauen und stehpinkelnden Männern entstanden. Widerstand regt sich. Und längst ist der Streit darüber aus der Privatheit der Paarbeziehungen und Wohngemeinschaften in die Öffentlichkeit gerückt. Stehpinkeln entwickelt sich vom individuellen Ehe- bzw. Partnerproblem zum allgemeinen Bestandteil der alltäglichen Debatte der Geschlechterverhältnisse, es wird in der Frauen- und Männerbewegung diskutiert, es entwickelt sich zum Medienthema, schließlich auch zum Stoff für Stammtische, für Witze, Satire und Comics. All dies ficht die Mehrheit der Männer offensichtlich nicht an. Die Frage, warum Männer sich nicht setzen, führt zur Überlegung, warum Männer stehen. Die Vehemenz, mit der Stehpinkeln beibehalten und verteidigt wird, lässt vermuten, dass es um mehr als liebgewonnene Gewohnheiten und Bequemlichkeiten geht. Ist Stehpinkeln eine männliche Identifikationshandlung, ein symbolischer Machtausdruck und eine praktische patriarchale Machtausübung gegenüber Frauen, ist es eine Demonstration von Männlichkeitsansprüchen und (phallischen) Männlichkeitsphantasien? Ist Stehpinkel Ausdruck von Männlichkeit? In einer der wenigen wissenschaftlichen Studien zum Thema Stehpinkeln geht Klaus Schwerma diesen Fragestellungen unter sozialwissenschaftlichen, psychologisch-psychoanalytischen und politikwissenschaftlichen Blickwinkeln nach. Zugleich beschreibt und analysiert er aktuelles Alltagsgeschehen sowie Alltagszusammenhänge und gesellschaftlich-kulturelle Kontexte. Er taucht dabei gewissermaßen mit seinem theoretischen Diskurs in diese Alltäglichkeiten ein, um zu untersuchen, wie sich dort die Verhältnisse realisieren. Mit Blick auf das bestehende Potenzial hegemonialer Männlichkeit hat seine Analyse der männlichen Alltagshandlung „Stehpinkeln“ ebenso Relevanz für das Nachspüren von alltäglichen geschlechtsspezifischen Verhaltensmustern wie auch für die gegenwärtige Debatte um „gender“ und Geschlechterdemokratie. Aus dem Inhalt: Stehpinkeln ï€ der Konflikt ï Stehpinkeln ist Kultur ï Entwicklung von männlicher Geschlechtsidentität ï Stehpinkeln im Verhältnis der Geschlechter ï Stehpinkeln und öffentlicher Raum ï Phallische Symbolik ï€ phallisches Phantasma des Stehpinkelns ï Stehpinkeln ï€ Regressiver Ausdruck rigider Männlichkeit? ï Geschlecht-(M)macht-Körper