Entnazifizierung in Karlsruhe 1946 bis 1951
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In bemerkenswertem Umfang sind sich heute befragte Zeitzeugen, Angehörige der nachgeborenen Generation und die Geschichtswissenschaft darin einig, dass die Entnazifizierung, die politische Säuberung nach 1945, gescheitert ist. Das negative Urteil richtet sich insbesondere auch gegen das Personal, das mit der Durchführung der Entnazifizierung betraut war. Von Zeitgenossen wiederum wurde den Mitgliedern der Spruchkammern Linkslastigkeit und fehlende Qualifikation vorgeworfen. Zeitungsberichte von Korruptionsskandalen, Amtsanmaßung oder dem selbstherrlichen Auftreten einzelner Kammermitglieder fügten dem Vorwurf der mangelnden Eignung noch den moralischer Defizienz hinzu. Der Rolle des Spruchkammerpersonals bei der Entnazifizierung gilt das besondere Interesse von Angela Borgstedt. Sie revidiert zwar das Bild von Unzulänglichkeit, Machtmissbrauch sowie Missbrauch von Institutionen nicht vollständig. In ihrer Arbeit zeigt sie jedoch, aufgewiesen am Beispiel der Beamtenstadt Karlsruhe, die Notwendigkeit einer moderateren und differenzierteren Betrachtung. Als badische Besonderheit erweist sich dabei der enorm hohe Anteil an Juristen, der das Vorurteil eines unqualifizierten Kammerpersonals widerlegt. Die Autorin stellt den inneren Zwiespalt der Kammermitglieder dar, die pflichtbewusst, aber auch leidenschafts- und illusionslos, jedenfalls keineswegs rachsüchtig und emotionsbelastet, die Aufgabe der Säuberung wahrnahmen. Sie relativiert den Vorwurf des Versagens, indem sie die Schwierigkeiten aufzeigt, mit denen das Kammerpersonal im Spannungsfeld von Besatzungspolitik, lokalpolitischem Neubeginn und der zunehmenden Kritik der Öffentlichkeit zu kämpfen hatte. Ihre Arbeit stützt sich auf das im Karlsruher Generallandesarchiv fast vollständig überlieferte Quellenmaterial der lokalen Spruchkammer, der nordbadischen Zentralspruchkammer sowie der Ministerialabteilung Baden.