Poetik des Exils
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Nach der Machtübernahme der Nazis verließen zahlreiche Schriftsteller Deutschland. Dennoch wurde die deutschsprachige Literatur der kommenden Jahrzehnte nicht nur vom politischen Engagement prominenter Flüchtlinge geprägt, jenseits des öffentlichen Diskurses wurden auch „ästhetische“ Folgen des Nationalsozialismus für die moderne Kultur reflektiert. Der Blick des Autors auf den ferngerückten Leser veränderte sich ebenso wie der Blick auf die eigene Rolle als Erzähler. Damit änderten sich auch die poetischen Ziele. Das Exil wurde zum Ort der Reflexion, der Beschäftigung mit ästhetischer Theorie, z. B. bei Brecht oder Benjamin. Kulturelle Aporien wurden in eine erkenntniskritische Poetik übersetzt, der Bezug zwischen Fiktion und Realität wurde problematisiert. Diese Entwicklung prägte die poetische Produktion bekannter und vergessener Autoren - exemplarisch wird dies an verschiedenen Romanen von Alfred Döblin, Veza Canetti, Soma Morgenstern und anderen. Der Exilroman führte den modernen Romandiskurs der 20er Jahre weiter, doch er fand neue poetische Lösungen. Das Konzept eines „einfachen“ Erzählens setzte sich durch, vieldeutige, auch verstörende Bilder traten neben philosophische Reflexionen. Indem der Exilroman seine Sprachen und Fiktionen thematisierte, veränderte er den Blick auf den Text und auf seinen Bezug zur Realität. Die fiktionalen Entwürfe des Exils erzeugen komplexe imaginäre Gegenwelten zu einer fragwürdigen Realität - die Ästhetik der Moderne wurde so dynamisch weiterentwickelt. Im Modell einer »Poetik des Exils« - zwischen Kulturaporetik, mimetischer Theorie und der Analyse von Weltentwürfen im Roman - konstituiert sich ein Lektüreparadigma, das vielfältige Zugänge zur Exilliteratur bietet.