Entrückung, Traum und Tod
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Im Zentrum der Betrachtungen zum Verhältnis von Text und Atonalität im Vokalschaffen von Schönberg, Berg und Webern steht die Analyse der Klavierlieder der Jahre 1908-10. In den Liedern sind zwar graduelle Unterschiede hinsichtlich kompositorischer Ansätze und Einrichtung der Texte auszumachen, doch auf höherer Ebene lässt sich weitgehende Übereinstimmung konstatieren: Bei allen drei Komponisten ist die Ambivalenz zwischen tradierter Textausdeutung und zukunftsweisenden, konstruktivistischen Tendenzen der Materialbehandlung kennzeichnend. Diese Ambivalenz korrespondiert mit den vertonten Texten, die von Entrückung, Traum und Tod handeln und eine Doppelperspektive eröffnen: Sie sind höchst gesteigerter Ausdruck der in der Romantik angelegten Dichotomie von ‚Welt und Gegenwelt‘ und erschließen mit der Abstrahierung von der sichtbaren Wirklichkeit eine (neue) analytisch-konstruktive, objektivierende Ebene. Es sind, in enger Verknüpfung mit den geistes- und kulturgeschichtlichen Strömungen der Zeit, die spezifischen entgrenzenden Inhalte, die die Ausprägung und Weiterentwicklung der atonalen Tonsprache legitimieren, und darin liegt die eigentliche und entscheidende Bedeutung der vertonten Texte. Bis in Details nachvollziehbar reflektieren die untersuchten Werke die – besonders in Wien – am Anfang des 20. Jahrhunderts kulminierende Atmosphäre von Endzeit-Empfinden, Unsicherheit, Wandel und Aufbruch.