Einsprachige Mehrsprachigkeit
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Grundlage dieser Studie ist die Frage, ob in so genannten dialektleeren Räumen in Frankreich tatsächlich keine sprachliche Differenzierung möglich ist oder ob selbst schwach markierte français régionaux von den Sprechern als neue Dialekte aufgefasst werden. Das Untersuchungsgebiet in der Basse-Normandie ist aufgrund seiner Nähe zur französischen Hauptstadt durch einen weit fortgeschrittenen Konvergenzprozess gekennzeichnet. Die primären Dialekte werden hier in der Alltagssituation bereits seit mehreren Generationen nicht mehr verwendet. Einen zentralen Aspekt der Arbeit stellt die Analyse des sprachlichen und metasprachlichen Wissens der Sprecher dar. Sowohl die Untersuchung metasprachlicher Aussagen der Sprecher in der Normandie wie auch der Angaben von Informanten aus anderen Regionen Frankreichs bringen neue Erkenntnisse über Ausbreitungsräume, Selbst- und Fremdeinschätzung sowie die Identifikation mit der Herkunftsregion. Es gelingt der Autorin im Rahmen eines neuen Ansatzes in der Variationslinguistik auf den drei Beschreibungsebenen Kompetenz der Variation, Pragmatik der Variation und Linguistik der Variation den Nachweis zu erbringen, dass der Konvergenzprozess in Richtung des dominanten Standards selbst dann nicht zur völligen Aufgabe von Dialektmerkmalen und damit auch nicht zum Existenzverlust eines sprachlich schwach markierten français régional führt, wenn der Standard wie in Frankreich mit starkem sprachpolitischem Druck durchgesetzt wird. Dies bedeutet, dass es trotz des Konvergenzdruckes nicht zur Entstehung dialektleerer Räume in Frankreich kommen kann. Die Bedeutung der français régionaux als sprachliche Abgrenzungsmechanismen für die Sprecher und damit auch als Träger einer gemeinschaftsstiftenden Identifikation mit der eigenen Region ist der wesentliche Faktor, der eine völlige sprachliche Konvergenz und Kongruenz mit dem präskriptiven Standard verhindert.