Ein rätselhafter Allegorienzyklus Felice Boscaratis nach einem Bildprogramm von Lazzaro Riviera
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Im Auftrag des Arztes Lazzaro Riviera schuf in den 1770er Jahren der Veroneser Maler Felice Boscarati in vier großformatigen Gemälden einen allegorischen Bilderzyklus, der nur in Reproduktionsstichen als Einheit erhalten ist. Die Bedeutung des komplizierten Allegoriengebäudes erklärt der Auftraggeber knapp durch lateinische Texte unter den Stichen und ausführlicher in seiner 1773 in Verona gedruckten Schrift „La Educazione Virile“, die im selben Jahr auch in französischer Übersetzung erscheint. Schon im Jahr darauf erlebt die italienische Fassung eine erweiterte zweite Auflage. Mit dem moralisierenden Bildzyklus verbindet Riviera seine pädagogische Intention, die Jugend daran mit Hilfe der ars memoriae für das Erwachsenenleben zu schulen, das Weltgeschehen zu durchschauen und universales Wissen zu erlangen. Dabei entwirft er ein etwas antiquiertes Weltbild, das er eklektisch aus klassischen antiken und neueren aufklärerischen Quellen zusammensetzt. In seiner ekphrasishaften Bildbeschreibung spielt er mit der Vieldeutigkeit des Wortes. Seinen verrätselten Allegoriebegriff überträgt er auch auf die Bedeutungsschicht der Bilder, die eine Nähe zum Freimaurertum erkennen lässt. Die vier kostspieligen Ölbilder werfen auch weiterhin Fragen auf: Konnte eine einzelne Person einen solchen Bilderzyklus finanzieren? An welchem Ort sollten sie zu sehen sein? Könnten es Logenbilder gewesen sein, die in Zusammenhang stehen mit den Erkenntnisstufen der Freimaurerlehre? Sicher ist, dass die Bilder den ausführenden Maler Felice Boscarati zum Wohnungswechsel zwangen und ihn auch in Venedig fast in den Kerker brachten, da sie 1780 Auslöser für die Verhaftung eines Reformpolitikers waren, der kurz zuvor als neugewählter Prokurator von San Marco das indoktrinäre Regierungssystem der venezianischen Republik modernisieren wollte.