Der Kölner Ring 2000 - 2004
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Nach Wotans Plan soll Siegfried der Erlöser werden, nämlich ein Super-Mann, dessen Aufgabe es ist, den tragischen Schnitzer kosmischen Ausmaßes wiedergutzumachen. Siegfried ist, wie Wagner ihn schrieb, ein Natur-Idyll für ein Jahrhundert, das sich bereits nach der Natur zurücksehnte. Zur gleichen Zeit, als die romantischen Dichter und Maler die Natur zum Hauptgegenstand ihrer Betrachtungen erhoben, entfremdete sich der Mensch des 19. Jahrhunderts von der Natur. Die Natur wurde ausgeplündert, um Brennmaterial und Energie zu gewinnen, die Innereien der Erde wurden aufgeschlitzt, weil man wertvolle Metalle suchte, Ton und Kaolin, Kohle und Gold, und die Wälder wurden brach gelegt. Die Intensität von Kapitalismus und Industrie ließ im 19. Jahrhundert erstmals anstelle des Landes die Städte zum Hauptarbeitsplatz der Menschen werden. Und diese Städte wurden im neuen Dampfmaschinen-Zeitalter in etwas verwandelt, das durch den Kohlenrauch, der aus den Schloten stieg, wie schwarze Ruinen aussah; ein weiteres Resultat war der Smog. Die Flüsse waren giftgrün und violett geworden, weil sie mit Anilinfarben und anderen Industrieabwässern vergiftet wurden. Die Entwicklung von Siegfrieds Persönlichkeit weist auf eine enge Naturverbundenheit hin. Im Fortgang der Oper entwickelt sich dann sein Bewusstsein für die Natur. Die Musik zu Siegfrieds Idyll erzählt vom Verlust, vom Verlust des Instinkts, des ursprünglichen Kontakts mit der Natur, von verlorener Liebe, die im Schoße der Natur um so bitterer empfunden wird. Auszug aus dem Text »Siegfried, Naturbursche« von Ian Burton