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Rechtfertigung und Opferverhalten

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In seiner hier veröffentlichten Tübinger Habilitationsschrift unternimmt der Autor den Versuch, Erklärungsansätze für das dogmatische Erscheinungsbild der Rechtfertigungsgründe im Strafrecht durch eine opfergerichtete Betrachtung zu entwickeln. Inspiriert wurde dieses Unterfangen durch die in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Strafrechtswissenschaft aufgeblühte, aber niemals zur vollen Reife gelangte „Viktimodogmatik“. Diese nahm für sich in Anspruch, neben vielem anderen auch das Wesen von Rechtfertigungsgründen wie Einwilligung und Notwehr auf die Aspekte mangelnder Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit des Opfers zurückführen zu können. Der Autor weist nach, daß das Erklärungspotential der Viktimodogmatik in diesem Bereich nicht ausreicht, um befriedigende Ergebnisse zu erzeugen. Dennoch ist auch er davon überzeugt, daß die Rolle des Opfers im Prozeß einer gerechtfertigten Tat ein Faktor ist, der auf die dogmatische Gestaltung von Rechtfertigugnsgründen großen Einfluß hat. Allerdings bedarf es zur Gewinnung dieser Erkenntnis eines Ansatzes, der von dem der Viktimodogmatik weit entfernt ist. Ausgehend von der einfachen und evident richtigen Grundannahme, daß Recht seine Gegenstände immer optimal zu regeln versucht, entwirft der Autor ein Optimalitätsprinzip, das auf die spezifischen Sachverhaltsmerkmale einer gerechtfertigten Tat zugeschnitten ist. Das Spezifikum einer gerechtfertigten Tat ist für ihn das Aufeinandertreffen zweier oder mehrerer Interessen, die in der Tatsituation nach Befriedigung verlangen. Optimal ist, wenn alle betroffenen Interessen befriedigt werden. Da es sich jedoch um gegenläufige Interessen handelt, ergibt sich oft, daß nur eines der Interessen auf Kosten des/der anderen befriedigt werden kann. Dann muß die rechtliche Regelung daran orientiert werden, die Befriedigung des wertvolleren Interesses zu fördern, damit dieses optimale Ergebnis in der Realität durch rechtskonformes Verhalten erreicht wird. Sofern aber eine kumulative Befriedigung der Interessen möglich ist, muß das Recht genau umgekehrt ein Verhalten unterbinden, mit dem nur das wertvollere Interesse befriedigt würde. Von dieser Grundlage aus erschließen sich viele Detailaspekte der Rechtfertigungsgründe Einwilligung, Notwehr und Notstand, wenn man in das Projekt der kumulativen Interessenbefriedigung auch das Befriedigungspotential des Opferverhaltens einbezieht und Rechtsnormen so ausgestaltet, daß dieses Potential zur Entfaltung gebracht wird. Der Verfasser legt dar, daß zahlreiche umstrittene Probleme - zB Notwehrprovokation, Willensmängel bei der Einwilligung - einer tragfähigen Lösung zugeführt werden können, indem die interessenbefriedigende Wirkung des Opferverhaltens die Berücksichtigung erfährt, die das Optimalitätsprinzip fordert.

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2004

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