Reiseziel England
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Wer im 19. Jahrhundert aus Deutschland nach England reiste, unternahm eine Zeitreise in die eigene erhoffte oder gefürchtete Zukunft. Hier konnte besichtigt werden, was in den deutschen Staaten lange noch fehlte: Eine pulsierende Metropole, rapider technischer Fortschritt und umwälzende Industrialisierungsprozesse, eine unzensierte Öffentlichkeit der Presse und Politik, aber auch krasse soziale Gegensätze und unvorstellbares Elend. Die vielfach vergessene Englandreiseliteratur zwischen 1830 und 1870 wird in der vorliegenden Studie erstmals umfassend erschlossen. Mehr als 70 Autorinnen und Autoren berichteten über ihre Reiseerfahrungen für das deutsche Publikum, darunter Heinrich Heine, Fanny Lewald und Theodor Fontane. Auf der Basis einer kulturgeschichtlichen Statusbestimmung sowohl des Reisens als auch der zugehörigen Beschreibungsprosa werden aus den Texten zwei Bezugssysteme gewonnen — eine verbindliche historische Gattungspoetik und eine Topik der Moderne, wie sie für England typisch war. An der Fülle von Beispielen wird anschaulich, wie die verbreiteten Beschreibungsmuster die dargestellte Wirklichkeit modellierten und beglaubigten. Die ästhetische Entdeckung der Moderne, die bislang der Literatur um 1900 zugeschrieben wurde, erhält so ihre Vorgeschichte in den Reisebeschreibungen über England.