Der deutsche Vereinigungsprozeß und die "innere Einheit"
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Nach der Euphorie kam schnell der Katzenjammer. Erfolgte die Vereinigung im Oktober 1990 noch unter dem Eindruck der nach dem Mauerfall einsetzenden Wiedersehens- und Vereinigungsfreude und handelten die verantwortlichen Politiker in der Bundesrepublik und der DDR unter der Leitidee schneller Angleichung und blühender Landschaften, wurde schon nach einigen Jahren sichtbar, daß die Hypotheken der Vergangenheit die durchaus beachtlichen Erfolge der Gegenwart überlagerten. Die Unzufriedenheit mit der Vereinigung hat sich bis heute nicht verringert, im Gegenteil: Sie dominiert im Osten wie im Westen zumindest die öffentliche Debatte um die Vereinigungsfolgen. Obschon die wissenschaftliche Literatur zum Vereinigungsprozeß inzwischen eine beachtliche Regalfläche ausfüllt, herrscht immer noch kein Konsens vor, warum dieser Prozeß so schleppend verläuft und warum die verantwortlichen Akteure so ratlos sind. Der Verfasser widmet sich in seiner Studie der Aufgabe, diesen Fragen auf den Grund zu gehen und eine plausible Antwort zu liefern. Dabei geht es ihm nicht nur um die Beschreibung und Einordnung realer Detailprozesse, sondern vor allem um die begriffliche Bestimmung dessen, was „innere Einheit“ bedeutet bzw. bedeuten kann und ob sie entgegen der öffentlichen Meinung nicht schon längst erreicht ist. Nach einer knappen Schilderung der Ausgangsbedingungen der deutschen Einheit und der Definition zentraler Begriffe werden verschiedene Aspekte des Vereinigungsprozesses behandelt und in den Gesamtrahmen der Arbeit eingeordnet. Mit Hilfe der Schlagworte „Restitution vor Entschädigung“, „Einkommen und Konsum“, „Rentenüberleitung“ und „Arbeitslosigkeit“ wird der Einfluß der „materiellen Ebene“ auf die „innere Einheit“ dargestellt und sowohl aus ostdeutscher als auch westdeutscher Sichtweise kritisch bewertet. In den nachfolgenden vier Kapiteln widmet sich der Verfasser der „psychologischen Ebene“. Anhand der Themenkomplexe „Elite“, „soziokulturelle Einrichtungen“, „PDS“ und „Wertewandel und ostdeutsche Sonderidentität“ wird aufgezeigt, welche Bedeutung psychologische Aspekte im Vereinigungsprozeß gehabt haben und immer noch haben. Speziell in diesen Kapiteln wird besonders darauf Wert gelegt, sich nicht mit den in der Öffentlichkeit verbreiteten pauschalen Aussagen und Vorurteilen über den Verlauf der Wiedervereinigung zufrieden zu geben, sondern stattdessen diese anhand von Fakten zu hinterfragen. Abschließend werden die Ergebnisse der in den verschiedenen Kapiteln behandelten Teilbereiche adäquat zusammengefaßt und zugeordnet sowie Widersprüchlichkeiten und offene Fragen benannt. Hierbei wird noch einmal die Differenz zwischen der vollständig vollzogenen institutionellen Einheit und der unvollkommenen mentalen Vereinigung verdeutlicht. Der Autor kommt dabei zu dem Ergebnis, Pluralität auch auf diesem Gebiet zu akzeptieren und Konflikte nicht zu überspielen.