Kunst als praktische Wissenschaft
Autoren
Mehr zum Buch
Goethes letzter Roman, »Wilhelm Meisters Wanderjahre« in seiner Endfassung von 1829, gibt den Lesern bis heute Rätsel auf. In erster Linie irritiert die dichterische Form mit ihren abrupten Kapitelübergängen, plötzlich unterbrochenen Handlungssträngen, novellenartigen Erzähleinschüben, umfangreichen Aphorismensammlungen, Gedichten und Liedern. Das einfache Erklärungsschema von Rahmen- und Binnenerzählung greift hier nicht mehr. Durch Einbeziehen der Schriftenreihe »Zur Morphologie«, mit deren Herausgabe sich Goethe zeitgleich zur Arbeit an den »Wanderjahren« beschäftigte, bringt diese Studie nun Licht ins Dunkel. Sie offenbart ein narratives Konzept, das von den inhaltlichen und methodischen Grundlagen der Goetheschen Morphologie geprägt ist. Auch sind die »Wanderjahre« von naturwissenschaftlichen Themen der Zeit um 1800 wie Astronomie, Mathematik, Chemie und dem damals populären Grenzphänomen des animalischen Magnetismus durchzogen. Goethes Alterswerk erscheint somit als komplexer, modern anmutender Versuch, Kunst als praktische Wissenschaft zu verstehen und zu gestalten.