Uneinige Einheit
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Anderthalb Jahrzehnte nach Herstellung der deutschen Einheit fällt die Bilanz für die Ostdeutschen eher bescheiden aus. Verbesserte Infrastruktur, das freundlichere Antlitz vieler Städte und Gemeinden, das bessere Warenangebot und die gewonnenen Reisemöglichkeiten vermögen nicht die schwerwiegenden Defizite auszugleichen, die für sie weiter bestehen. Deindustrialisierung, Massenarbeitslosigkeit, Benachteiligung in der Einkommenssituation und finanzielle Abhängigkeit von den westdeutschen Bundesländern gehen einher mit fortdauernder Abwertung der gelebten Biographien in der DDR. Das deprimierende Fazit ist, daß nach wie vor eine Mehrheit der Ostdeutschen sich als „Bürger zweiter Klasse“ empfindet. Mittlerweile mehren sich auch in Politik und Medienlandschaft Stimmen, die den Vereinigungsprozeß nicht mehr vordergründig als Erfolgsgeschichte ansehen. Dennoch scheut man immer noch davor zurück, die wirklichen Ursachen zu benennen und daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Sie können nur lauten, umzudenken und nach realistischen Wegen für eine Überwindung der Probleme zu suchen. Dazu bedarf es einer offenen und landesweiten Diskussion. Im vorliegenden Band untersuchen die Autoren punktuell den öffentlichen Umgang mit den bestehenden Problemen der deutschen Einheit. Die Situation wird ungeschminkt dargestellt, und es werden Überlegungen für Veränderungen unterbreitet. Dabei wird nicht der Anspruch erhoben, perfekte Lösungen gefunden zu haben. Es werden Standpunkte zur Diskussion gestellt. Die kritische Analyse erschließt auch erkennbare positive Erscheinungen, wie z. B. die sich in der Schulbuchproduktion andeutende Hinwendung zu einer sachlich-kritischen Darstellung des Vereinigungsprozesses oder die ermutigenden Erfahrungen der fruchtbringenden Kooperation von ost- und westdeutschen Wissenschaftlern bei der Arbeit an dem Projekt „Auf der Suche nach der verlorenen Zukunft“. Der Band will anregen, in dieser Richtung weiter zu forschen, um in kollektiver geistiger Anstrengung Hemmnisse auf dem Wege der Integration von Ost und West beiseite zu räumen und die weitere Entwicklung konstruktiv voranzutreiben.