Das Verhältnis der Pädagogik Herman Nohls zum Nationalsozialismus
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Erinnert man die lange Zeit des nahezu konkurrenzlosen Ranges der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik, so denkt man an eines ganz sicher nicht: die Reflexion der eigenen Rolle und der eigenen Disziplin im Nationalsozialismus. Manche Selbstgefälligkeit aus den 1920er und 1930er Jahren rettet sich - unbeeindruckt von den Entnazifizierungsverfahren - in die Bundesrepublik hinüber. Werden auch selbstkritische Sätze vereinzelt vernehmbar, so muss überwiegend von einer entweder verharmlosenden, unglaubwürdigen oder zur Legendenbildung beitragenden Weise der Erinnerung gesprochen werden. Die vorliegende Veröffentlichung eröffnet einen historischen Zugang zur Pädagogik Herman Nohls unter besonderer Berücksichtigung ihrer politischen Implikationen. Darüber hinaus werden Lücken in der Forschung geschlossen. Unter kritischer Würdigung und Berücksichtigung bereits vorhandenen Materials werden neue Aspekte im Leben und Werk Nohls herausgearbeitet. Dies betrifft unter anderem die Vorgänge seiner Zwangsemeritierung und Entnazifizierung. Die Vorlesung „Die Grundlagen der nationalen Erziehung“ aus dem WS 1933/34 wird im Kontext weiterer Schriften und Briefe Nohls mitsamt den historischen Rahmenbedingungen sowie mit Blick auf bereits erschienene Sekundärliteratur ausführlich gewürdigt. Schliesslich werden bisher nicht oder in anderer Weise gewürdigte Quellen (neu) ausgewertet und in den Kontext der Nohl-Forschung einbezogen. Zahlreiche noch nicht gewürdigte Quellen werden herangezogen und ausgewertet. Dazu gehören zum Beispiel eine Vielzahl von Briefen Nohls an den Kreis der Freunde, Briefwechsel zwischen Erich Weniger, Theodor Litt und Herman Nohl, NS-Unterlagen wie Einschätzungen durch NS-Personal sowie Karteiblätter aus der NS-Hochschullehrerkartei, Schriftwechsel bezüglich Nohls Fabriktätigkeit und Entnazifizierungsunterlagen sowie zum Teil unveröffentlichte Nachkriegsdokumente aus den Archiven in Berlin, Göttingen, Hannover und Jena. Die Veröffentlichung kommt zu folgenden Ergebnis: Die Entwicklung der Pädagogik Herman Nohls ist über den gesamten Zeitraum seines wissenschaftlichen Schaffens als ein lückenloser Zusammenhang sichtbar. Politische und anthropologische Elemente nationalsozialistischen Gedankenguts schlagen sich ungeachtet dieser lückenlosen Entwicklung sichtbar im wissenschaftlichen Wirken und Werk Nohls nieder. Das Verhältnis der Pädagogik Herman Nohls zum Nationalsozialismus ist geprägt von einem inhaltlichen, auf Affinität beruhenden Moment und einem persönlichen, das die eigene Vorherrschaft sichern will.