Opernsplitter
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Vor mehr als vierhundert Jahren erfunden und sogleich als ein Mißverständnis erkannt, ist das Verhältnis von Oper, Politik und Gesellschaft stets ein prekäres gewesen. In der Oper reflektierten sich die Probleme der jeweiligen Politik und Gesellschaft ebenso wie die Oper den Anspruch erhob, über diese Reflektion hinauszugehen und die Phantasie ihrer Zuschauer ins Reich der Träume, in eine die Realität transzendierende zweite Wirklichkeit zu entführen. Im ästhetischen Anspruch der komplexesten aller europäischen Kunstgattungen steckte stets auch eine darüber hinausgehende politik- und gesellschaftskritische Ambition, aus der sich ganz wesentlich das Spannungsverhältnis zwischen denjenigen ergab, die auf der Bühne die Oper zum Leben brachten und jenen, die im Zuschauerraum dieses Leben virtuell mitvollzogen. Die in diesem Band versammelten Beiträge wollen helfen, dieses Spannungsverhältnis interpretierend aufzuschließen. Von der Entstehung des ästhetischen Denkens als einer eigenen Wissensdisziplin und seinen Herausforderungen an das politische und gesellschaftliche Denken seit dem 18. Jahrhundert in Europa reicht im ersten Teil des Buches der Spannungsbogen bis zum Nachdenken über die Stellung der Oper in der gegenwärtigen Gesellschaft. In einem zweiten Teil werden dann einzelne Opern jeweils auf ihre politischen und gesellschaftlichen Implikationen hin befragt und ein dritter Teil schließlich versammelt Arbeiten zum politisch-ästhetischen Denken Richard Wagners sowie zu Wagners geistesgeschichtlichen Verbindungen zu wichtigen Intellektuellen seiner Zeit und deren Wirkung bis in die Gegenwart. Die Beiträge selbst sind, entsprechend ihrer Entstehungsursache, von unterschiedlichem Charakter: neben wissenschaftlichen Abhandlungen stehen eher knappe Aufsätze, die für Programmhefte von Opernhäusern geschrieben worden sind. Immer dominiert das Interesse des Politologen, der aus seinem Blickwinkel sich dem faszinierenden Phänomen Oper zu nähern sucht.