Analyse und Evaluation von Nahverkehrsplänen und die Aufstellung von Kriterien zur Bewertung von Standards im ÖPNV
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Der Nahverkehrsplan bildet den Entwicklungsrahmen für den ÖPNV im Gebiet eines oder mehrerer Aufgabenträger. Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sind gesetzlich verpflichtet, Nahverkehrspläne zu erstellen und diese nach fünf Jahren fort-zuschreiben. Die jetzt fortzuschreibenden Nahverkehrspläne müssen Rahmenbedingungen berücksichtigen, die sich aus einer Novellierung der EU-Gesetzgebung zum Thema Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit im ÖPNV ergeben haben. Danach müssen Verkehrsdienstleistungen im Wettbewerb vergeben werden. Für die Ausschreibungen sind Angaben im Nahverkehrsplan zu einem ausreichenden Bedienungsstandard notwendig. Im Europa-, Bundes- und Landesrecht wird unter ausreichender Bedienungsqualität gleichermaßen eine Bedienung verstanden, die den öffentlichen Interessen, insbesondere sozialen, umweltpolitischen und planerischen Zielen, angemessen ist. Die Aufgabenträger verfügen hierbei über einen weiten Ermessensspielraum, der von einer Sicherung der Grundmobilität bis hin zu einem dem Pkw gleichwertigen Angebot reicht. Jenseits dessen, was durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt ist, dürfen Verkehrsleistungen allerdings staatlicherseits nicht finanziert werden! Wie eine Analyse der hessischen Nahverkehrspläne zeigte, basieren die Angaben in den Nahverkehrsplänen zwar auf den allgemeinen Empfehlungen des VDV u. a., es sind aber örtliche Anpassungen vor allem im Bereich der ländlichen Kreise und der Kernstädte von Agglomerationsräumen erforderlich. Es wurde deutlich, dass die nur auf Zentralitätsstufen basierenden Empfehlungen des VDV u. a. die komplexen siedlungsstrukturellen Zusammenhänge zwischen Siedlungsdichte, Flächennutzung, Verkehrsachsen, Berufspendlerverflechtungen etc. nur unzureichend berücksichtigen. Deshalb wurden die Verkehrsräume der hessischen lokalen Aufgabenträger, das sind im Wesentlichen die Landkreise und kreisfreien Städte, basierend auf den siedlungsstrukturellen Regionstypen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung BBR in drei Gruppen (Agglomerationsräume, Verstädterte Räume und Ländliche Räume) eingeteilt und die Angaben der Nahverkehrspläne zu Leistungsstan-dards der Erschließungs- und Verbindungsqualität differenziert betrachtet. Aus der statistischen Analyse der Angaben und einem Vergleich der Mittelwerte und Standardabweichungen der Verteilungen mit den Empfehlungen wurden Beurteilungswerte für Haltestelleneinzugsbereiche, Taktfolgezeiten, Bedienungshäufigkeiten und Beförderungszeiten für Agglomerationsräume, Verstädterte sowie Ländliche Räume empirisch abgeleitet. Dabei wurden auch Interdependenzen zwischen Raumstruktur, Bedienungsform und Wirtschaftlichkeit berücksichtigt, indem für Ortsverkehre eine Empfehlung für eine Bedienungsform in Abhängigkeit der Länge des Linienweges, der Bedienungshäufigkeit und der Anzahl der erschlossenen Einwohner ausgesprochen wurde. Diese Beurteilungswerte sollen den Aufgabenträgern des ÖPNV einen Hinweis darauf geben, was in Vergleichsräumen unter einer ausreichenden Bedienungsqualität verstanden und auch im Rahmen der Ausschreibungsverfahren bestellt wird.