Ortszeit
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Nachdem im Jahr 1989 die Mauer zwischen den beiden deut-schen Staaten gefallen war, bot sich während einer Phase wirtschaftlichen Stillstands die Möglichkeit, im Osten Deutschlands Orte zu besichtigen, an denen die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Stefan Koppelkamm, Designer, Ausstellungsgestalter, Autor und Photograph, nutzte diesen historischen Moment, um Bauten und Stadträume im Osten Berlins und an anderen Orten der ehemaligen DDR zu photographieren, deren Zustand oft bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurückwies. Seine Motive waren Neugier auf ein jenseits seiner Grenzen weitgehend unbekanntes Land und das Bedürfnis, einen Zustand im Bild zu bewahren, der schon bald verschwinden würde. Zwischen 2001 und 2004 hat Koppelkamm dieselben Orte wieder aufgesucht und ihren aktuellen Zustand von den gleichen Standpunkten aus noch einmal photographiert. Die mit der Großbildkamera gemachten Aufnahmen ermög-lichen das detaillierte Lesen aller Zeitspuren: Dabei werden die dramatischen gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen der letzten fünfzehn Jahre sichtbar. Der Vergleich der beiden Zeitschnitte wird, je nach biographischer Perspektive des Betrach-ters, unterschiedlich ausfallen. Das, was dem Photographen fremd erschien, hat sich in etwas scheinbar Vertrautes verwandelt. Einem in der photographierten Umgebung aufgewachsenen Betrachter mag es umgekehrt ergehen. Der Titel 'Ortszeit' ist im übertragenen Sinn zu verstehen: Orts-zeit beschreibt, daß für unterschiedliche Orte Zeiten gelten, die von der tatsächlichen Zeitdifferenz zwischen zwei Orten oft um Jahr-zehnte oder mehr abweichen können. Stefan Koppelkamm studierte an der Gesamthochschule Kas-sel und lebt nach einem längeren Aufenthalt in den USA heute in Berlin und lehrt Kommunikationsdesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Ludger Derenthal ist Leiter des zu den Staat-lichen Museen zu Berlin gehörenden, 2004 gegründeten Museums für Fotografie in Berlin. Von ihm stammt u. a. das Buch Bilder der Trümmer- und Aufbaujahre. Fotografie im sich teilenden Deutschland – damit ein Zeugnis vom anderen Ende der Zeit, um die es hier geht.