Die karolingischen Reichsteilungen bis 831
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Knapp 400 Jahre lang war die Aufteilung des Reiches unter den Söhnen eines verstorbenen Herrschers fester Bestandteil der fränkischen Herrschaftspraxis. Trotzdem hat sich zumal die deutsche Mediävistik mit dieser vermeintlich so kontraproduktiven und rückständigen Praxis bislang vorwiegend unter dem Aspekt ihrer Überwindung beschäftigt. Wenig Beachtung fand dagegen ihre Verankerung in der Vorstellungswelt des frühmittelalterlichen Menschen. Dabei erlauben die Annalen und Chroniken der karolingischen Blütezeit von 750-830 hier vielfältige Einblicke. Denn die Geschichtsschreibung jener Epoche lässt sich weder pauschal als bloße Hof-Historiographie, noch als Produkt weltferner Mönche charakterisieren. Vielmehr können wir hier die vielfältige „Stimme der Elite“ vernehmen, also jener Personengruppen, die den karolingischen Aufstieg und die Adaption der merowingischen Teilungspraxis durch die neue Dynastie aufmerksam begleiteten. Zugleich bietet die Arbeit eine ausführliche quellenkundliche Zusammenfassung und Aktualisierung des Forschungsstands, der z. T. seit 50 und mehr Jahren nicht mehr überprüft worden ist. Als wertvolle Ergänzung der historiographischen Quellen - die naturgemäß lediglich die Herrschaftspraxis kommentieren können - dienen die erhaltenen Teilungsordnungen von 806, 817 und 831. In ihnen legten Karl der Große und Ludwig der Fromme jeweils unter Einbindung der Großen des Reiches fest, wie dereinst geteilt werden sollte und auf welchen Gebieten die entstehenden Teilreiche zu kooperieren hatten. Auf dieser Basis ist ein wertvoller Abgleich der Vorstellungen in Herrscherfamilie und Herrschaftsverband möglich. Darüber hinaus enthalten die Teilungsordnungen aufschlussreiche Normsetzungen für die verschiedensten Eventualfälle. Manch scheinbar willkürliche Entscheidung beim Tod eines karolingischen Herrschers erscheint so in neuem Licht. Insgesamt zeigt sich bei allen Unterschieden im Detail eine bemerkenswerte Konstante: die Aufteilung des Reiches unter sämtlichen legitimen Söhnen des Herrschers wurde von allen Beteiligten durchgängig als selbstverständliche Norm bejaht. Aus modernen Vorstellungen gespeiste Bedenken, eine Teilung des Reiches gefährde dessen Bestand, führe unweigerlich zum Streit unter den Erben und könne sogar den Zusammenbruch jeder staatlichen Ordnung nach sich ziehen, waren den Zeitgenossen fremd. In ihrem Verständnis existierte das eine Reich der Franken auch in Teilung weiter. Umgekehrt führte oftmals gerade die Verweigerung einer gerechten Teilung zu schwerwiegenden Konflikten. Weit davon entfernt, destabilisierend zu wirken, stellten Reichsteilungen, richtig gehandhabt, somit ein bewährtes und allseits akzeptiertes Mittel zur Vermeidung und Beilegung von Konflikten dar.