"Nachgesang"
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Poesie ist für Herder ursprünglich und damit wesensmäßig ‚Gesang’, ein Begriff mit reichen Implikationen: Musikalität, Vortrag, Improvisation, Unmittelbarkeit. Unter dem Stichwort ‚Nachgesang’, das Herder an wenigen, aber signifikanten Stellen verwendet, lassen sich seine Bemühungen fassen, vergleichbare Qualitäten auch im Medium der Schrift („Litteratur“) zu evozieren. Dieses produktiv-paradoxe Projekt verfolgte er als Literaturkritiker, Sprachphilosoph, Herausgeber, Dichter und vor allem Übersetzer unermüdlich. Die Studie konzentriert sich auf den ‚frühen’ Herder (bis zur Herausgabe seiner Volklieder-Anthologie von 1778/79) und führt die ihn prägenden Paradigmen von ‚Gesang’ vor Augen, insbesondere Homer, Tyrtäus, Pindar, Ossian, die Sammlung englischer Volksballaden von Thomas Percy und Gleims am Bänkelsang orientierte Romanzen – prägend für seine Vorstellungen waren aber auch der Philoktet des Sophokles und Shakespeares Tragödien. Anschließend werden in der Analyse theoretischer Texte wie in der Interpretation von ‚Nachgesängen’ die wichtigsten ‚parodistischen’ (=nachsingenden) Strategien Herders herausgearbeitet, insbesondere Gattungsmischung, (Wieder-) Herstellung eines ‚Tones’, forcierter Einsatz von Interjektionen und Lautmalerei, ‚szenisches’ Dichten, „Sprünge und Würfe“, Simulation von Kindlichkeit und ‚Wildheit’. Diese Strategien haben überaus produktiv weitergewirkt, unter anderem vermittelt durch Bürgers Lenore, Goethes Heidenröslein und seine „Urei“-Theorie der Ballade. Auch diese Texte werden aus der Perspektive des Konzepts Nachgesang interpretiert, die – mit Lichtenberg gesprochen – „neue Blicke durch die alten Löcher“ gewährt.
Parameter
- ISBN
- 9783826031151