Der Zugang zum Handwerksberuf
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Fast ein dreiviertel Jahrtausend lang war das Handwerk beherrscht von der Zunft. Geprägt wurde es in dieser Zeit durch strengen Zunftzwang, Zwangs- und Bannrechte. Der im 16. Jahrhundert beginnende Verfall des Zunftwesens gipfelte in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes 1869. Dort herrschte weitgehende Gewerbefreiheit nach den Vorstellungen des Liberalismus. Die Entwicklung im letzten Jahrhundert führte wieder rückwärts. 1908 wurde der kleine Befähigungsnachweis eingeführt, der große Befähigungsnachweis folgte 1935 durch eine nationalsozialistische Verordnung. Das Handwerksrecht wurde 1953 aus der Gewerbeordnung herausgenommen und in der Handwerksordnung verselbständigt. Nach zahlreichen Reformen wurde der Gesetzgeber zum 1.1.2004 erneut tätig. Der Gesetzgeber schwenkte auf das Abgrenzungskriterium der Gefährlichkeit um und überführte eine Reihe von Handwerken in die Anlage B, wo es nur eine fakultative Meisterprüfung, also keinen großen Befähigungsnachweis gibt. Subjektive Berufszugangsvoraussetzungen sind Eingriffe in Art. 12 GG. Die Rechtfertigung des Meisterzwangs war schon bisher schwierig. Nach dem Wechsel hin zur Gefahrenabwehr fällt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung keineswegs leichter. Zwar können Berufszugangsbeschränkungen mit der Abwendung von Gefahren gerechtfertigt werden, das Regelungssystem wirft aber neue Fragen auf. So ist die Abgenzung zum Vorbehaltsbereich der Anlage A nicht sachgerecht und außerdem im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG viel zu unbestimmt. Die Reform mutet teils willkürlich an. Der große Befähigungsnachweis verstößt nicht gegen primäres Gemeinschaftsrecht, inbesondere nicht gegen die Grundfreiheiten. Das deutsche Handwerksrecht führt aber auch nach der Reform zu einer Inländerdiskriminierung. Dieser Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG läßt sich nicht rechtfertigen. Rechtsvergleichend stellen die deutschen Regelungen einen Fremdkörper innerhalb Europas dar. Daraus ergibt sich eine europapolitische Reformnotwendigkeit. Eine nationale gibt es seit vielen Jahren. Der hier verfolgte Ansatz betrifft gleichzeitig die Gewerbeordnung. Sie enthält oft nur noch rudimentäre Regelungen. Die vorliegende Arbeit nennt Verschlankung der Regelungswerke und stärkere Betonung der Freiheit als wichtigste Ziele. Zudem muß eine Neukodifikation zu einer Rechtsvereinheitlichung führen. Die Ausbildung sollte allein im Berufsbildungsgesetz geregelt werden. Hier ist zunächst Qualitätssicherung zu garantieren. Zusätzlich müssen Anreize zur Ausbildung geschaffen werden. Der Meisterzwang sollte durch einen fakultativen Befähigkungsnachweis ersetzt werden. Gefährliche Gewerbe gilt es in einem Gesetz zu regeln. Die Handwerksordnung als eigenständiges Gesetz ist überflüssig. Sie ist derzeit verfassungswidrig. Anzustreben ist die komplette Reintegration des Handwerksrechts in Berufsbildungsgesetz und Gewerbeordnung.