Wertordnung und Verfassung
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Das wertorientierte Grundrechts- und Verfassungsverständnis des Bundesverfassungsgerichts bleibt als prätorische Rechtsschöpfung in seiner Rationalität und Legitimität prekär. Thilo Rensmann legt mit der Einbeziehung des grenzüberschreitenden Kontexts eine 'Rationalitätsreserve' frei, die bislang noch nicht hinreichend gewürdigt worden ist. Die Grundthese seiner Untersuchung lautet, daß das Grundgesetz und die Wertordnungsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts von Anfang an in den Kontext des nach dem Zweiten Weltkrieg aufkeimenden transnationalen Menschenrechtskonstitutionalismus eingebunden waren und daher nur aus diesem Zusammenhang vollständig verstanden werden können. Ein wesentliches Anliegen des Autors liegt in der Aufschlüsselung dieses genetischen Zusammenhangs zwischen den Grundrechten des Grundgesetzes und dem menschenrechtlichen Wertsystem der internationalen Gemeinschaft, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte seinen authentischen Ausdruck gefunden hat. Rationalität und Legitimität der Wertordnungsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts werden aber auch in ihrem aktuellen grenzüberschreitenden Kontext überprüft. Dabei werden nicht nur die 'Wertordnungsverfassungen' anderer Staaten, sondern auch die Verfassung der Vereinigten Staaten als der wirkmächtige liberal-rechtsstaatliche Gegenentwurf ('Verfassung ohne Wertordnung') in das Untersuchungsspektrum einbezogen. Schließlich zieht der Autor die Linien des Wertordnungsdenkens in den übernationalen Raum aus, indem er die Transformation der Europäischen Union von einer supranationalen Wirtschaftsgemeinschaft zu einer konstitutionalisierten Wertegemeinschaft sowie die allmähliche Wandlung des Völkerrechts von einer staatenorientierten Konsensordnung zu einer anthropozentrischen Wertordnung nachzeichnet.