Der kulturelle Faktor im sozialökonomischen Geschichtsverlauf
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Bei der Betrachtung nachholender Entwicklungsprozesse bleiben zwei Hauptfragen häufig unbeantwortet: Welche Relevanz haben sozialkulturelle Faktoren bei der wirtschaftlichen Entwicklung und wie lassen sich solche Einflüsse methodisch erfassen? Das vorherrschende Verständnis wirtschaftlicher Entwicklung lässt nur eine sehr eingeschränkte Betrachtungsweise zu, da es - unabhängig vom jeweiligen sozialhistorischen Kontext - von der simplen Übertragbarkeit des westlichen Entwicklungsweges auf andere Gesellschaften ausgeht. Persistente Entwicklungsdifferenzen zwischen den Entwicklungsländern sowie unterschiedliche Rollen des Staates und staatlicher Intervention bleiben damit unerklärt. Einen viel versprechenden Ansatz zur Erfassung des Zusammenhangs zwischen ökonomischer und sozialkultureller Entwicklung bietet dagegen die kaum rezipierte Entwicklungstheorie Alfred Webers, die in diesem Buch aufgegriffen wird. Sie unterteilt den historischen Prozess in den Zivilisationsprozess, den Gesellschaftsprozess und die Kulturbewegung. Damit verbinden sich die erkenntnistheoretischen Vorteile einer historisch und kulturell fundierten Betrachtung des Entwicklungsverlaufs (wie sie die Historische Schule der Nationalökonomie vertrat) mit universell gültigen Aspekten der Ökonomie. In der praktischen Anwendung lassen sich anhand der von Geert Hofstede durchgeführten Kategorisierung sozialkultureller Faktoren empirisch feststellbare Mentalitätsunterschiede und deren Konsequenzen für die Wirtschaftspolitik aufzeigen. Bergrath geht beispielhaft auf die kulturellen Besonderheiten Ostasiens ein. Die dem chinesischen Kulturkreis attestierte pragmatische Anwendungsorientierung und die auf starker Kollektivität basierende Tradition staatsinterventionistischer Politik finden sich weit zurückreichend in der chinesischen Geschichte. Der Reformprozess der vergangenen Jahrzehnte bestätigt darüber hinaus auch wirtschaftspolitisch die langfristige Orientierung Chinas. Das Buch gestattet weiterhin einen Ausblick auf die Wirtschaftspolitik Chinas und wagt die Prognose, dass die Volksrepublik auch zukünftig eine stark keynesianisch geprägte Wirtschaftspolitik betreiben wird, verstanden als Verbindung von Markt mit wachstums- und beschäftigungsbezogenem Staatsinterventionismus.