Was ist richtig für mein Kind
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Haben Eltern in Ost und West unterschiedliche Einstellungen zur Erziehung von Kindern? Entwickeln Kinder in Ost und West daher auch unterschiedliche Persönlichkeiten oder Weltbilder? Diese Frage wird oft gestellt, in diesem Buch wurde sie in einer Langzeitstudie untersucht. Neu dabei ist der Versuch, eine Differenzierung der Eltern sowohl innerhalb der West- wie auch der Oststichprobe zu berücksichtigen: In beiden Untergruppen wurden die Eltern danach aufgeteilt, ob sie sich für ihre Kinder engagierten und ihnen das Wohlergehen wichtig war oder ob sie ein besonderes Engagement für nicht so wichtig erachteten. Die Ergebnisse basieren auf einer empirischen Studie, die über einen Zeitraum von ungefähr 6 Jahren mit 120 Familien aus Ost- und Westberlin durchgeführt wurde. Zum einen wurden verschiedene kritische Entwicklungsphasen des Kindes wie der Schuleintritt oder der Übergang ins Jugendalter analysiert. Zum anderen standen auch retrospektiv erhobene Daten (Erinnerungen) der Mütter über die Schwangerschaft und ersten Lebensjahre des Kindes zur Verfügung. Ein wesentliches Ergebnis dieser Studie war beispielsweise, dass Eltern mit hohem Engagement für ihre Kinder ideologische und institutionelle Besonderheiten in den beiden Erziehungskulturen (DDR mit ihren kollektivistischen Werten und BRD mit ihren mehr individualistischen Werten) gut abfedern und relativieren können. Eltern dagegen, die ihr Hauptaugenmerk im Alltag weniger auf die Fürsorge für das Kind richten, scheinen sich beim Umgang mit dem Kind mehr auf die von der Gesellschaft vorgegebenen Schablonen der Sozialisationsgestaltung zu verlassen. Das eigenständige Gestalten von Beziehungen und das Vermitteln der Kompetenz, die Qualität einer Beziehung einschätzen zu können, erscheint im Westen beiden Untergruppen wichtig, im Osten aber nur der Gruppe der hoch engagierten Eltern. Die Kinder der wenig engagierten Eltern im Osten zeigten einen erheblichen Mangel an Sensibilität für die Einschätzung von Beziehungsqualität. Von diesen Eltern wird dem Kind eher die Vorstellung eines sich naturwüchsig gestaltenden Beziehungsalltags vermittelt, in den das Individuum nur wenig eingreifen kann. Entsprechend wird auch nicht die Kompetenz vermittelt, die Qualität einer sozialen Beziehung einzuschätzen, sie selbst mitzugestalten und zu verändern. Dies trifft sowohl für die eigene Eltern-Kind Beziehung als auch für die Beziehung mit Gleichaltrigen zu. Diese Art von „blindem Fleck“ bei der Beurteilung von Beziehungen und die Unfähigkeit, sich selbst in einer Beziehung zu artikulieren kann als ein gravierender Mangel von allgemeiner sozialer Kompetenz verstanden werden und scheint auch die Kommunikation darüber verkümmern zu lassen, wie man eigene Bedürfnisse oder Änderungswünsche in eine Beziehung einbringen kann.