Schöpferisches Auge der Neuzeit
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Das 'schöpferische Auge der Neuzeit' findet der kritisch eingestellte Kunst- und Literaturhistoriker Friedrich Gross in zum Teil berühmten bildkünstlerischen Werken, die oppositionelle Schärfen besitzen und das gesellschaftlich Sanktionierte freimütig aufgreifen. Den lebendigen Essayband leitet mit der Würze der Kürze nicht ein kunstgeschichtliches Statement, sondern überraschend ein „sokratischer Dialog“ ein, welcher die erkenntnistheoretische Hauptfrage, ob es eine „Welt an sich“ gibt, auf ebenso scharfsinnige wie launige Weise zu lösen verspricht. Nach diesem philosophischen Auftakt bürstet der Autor die Kunstgeschichte gegen den Strich, wenn er den 'emanzipatorischen Verlust an Schönheit in der Kunst' kenntnisreich verfolgt und sich vorrangig dem visuell, moralisch und sozial Hässlichen, dem Niedrigen, Unterdrückten widmet. Die Bildkunst zeigt solche Widrigkeiten nicht erst seit dem Manierismus. Der Prozess der Entwertung und des letzlichen Zusammenbruchs der antiken Kategorie der Schönheit zerreißt ästhetische Fesseln und erzeugt eine zunehmende gestalterische Freiheit, die ihren Höhepunkt im 20. Jahrhundert erreicht. Auch der Antagonismus von „Hohem und Niederem Stil“ fördert den künstlerischen Befreiungsprozess, und diesen entscheidenden Gegensatz rückt der kurze, aber keineswegs leichtgewichtige Essay über 'Palast & Hütte' gesondert vor Augen, wobei Bilder des Barock exemplarisch im Vergleich pointiert und Gegenwartsbezüge hergestellt werden. Künstlerische Kämpfe und Oppositionen untersucht auch und bekräftigt sogar der freizügige Text über die 'Kreuzigung Christi im nicht mehr christlichen Bild des späten 19. und des 20. Jahrhunderts', der in der These gipfelt, ein bestimmtes System starker visueller Abstraktionen erzeuge notwendig die Anmutung von Hieratik, welche als Anlage der menschlichen Psyche innewohnt. Untersucht wird hier auch Anstößiges, sexuelle Problematiken und die Kreuzigung der Frau als Ausdruck patriarchalischer Herrschaft. Den kunsthistorischen Hauptteil des Buches rundet eine scheuklappenlose Interpretation von Hauptwerken des ostdeutschen Malers Clemens Gröszer ab, der zur jüngeren Generation der DDR-Maler gehörte. Seine Kunst gehorchte von Anfang an nicht vorgegebenen Dogmen und erreichte Tiefgründigkeit durch eine damals nicht sehr genehme symbolische Phantastik. Ungewöhnlich wirkt zweifellos der letzte Teil des Buches, in dem Friedrich Gross sich mit selbstgewisser Unbescheidenheit ein 'schöpferisches Auge der Neuzeit' zuerkennt und seine eigenen Bildkunstwerke einer 'modernen Phantastik', welche viel Dramatik und Ungewöhnliches enthalten, in interessanter Auswahl abbildet. Dieser Teil über den 'Bildkünstler Friedrich Gross' bietet nicht allein die zweite Seele des Wissenschaftlers, sondern ermöglicht den Blick auf das gesamte Schaffen des produktiven Autors.