Der Mythos Friedrich Nietzsche und seine Totenmasken
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Nach dem Tode des zuletzt geisteskranken Friedrich Nietzsche verdichteten sich Leben und Werk dieses „Propheten“ und „Märtyrers“ zu einer bezwingenden Mythosgestalt. Seine Totenmaske sollte nach dem Willen der maßlos ehrgeizigen Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche das Bild seines lebendig weiterwirkenden Geistes anschaulich dazu beigeben. Am 2. Tag nach seinem Tod ließ sie die Totenmaske durch Curt Stöving und Harry Graf Kessler abnehmen – technisch missglückt, musste Max Klinger diese „Maske mit der schiefen Nase“ korrigieren. Ihre Unzufriedenheit mit diesem „unheroischen“ Gesicht führte dann 1910 zur „lebendigeren“ sog. Saudek-Maske, die Elisabeth Förster-Nietzsche in Kopien an einzelne Nietzsche-Verehrer als die „gültige“ und „bessere“ weitergab. Überraschende Einzelheiten sprechen dafür, dass Rudolph Saudek seiner Maskenvariation einige Vorarbeiten vorschaltete, die wohl im Vorfeld zur endgültigen Gestaltprägung mit Elisabeth Förster-Nietzsche diskutiert wurden. Die Bildniskunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war aus solchen Vorgaben ganz von einem stürmischen Nietzsche-Bild geprägt, was in charakteristischen Beispielen belegt ist. Unter Nietzscheanern hätte es eigentlich als Sensation wirken müssen, als das Rhein-Echo am 25. August 1950 (an Nietzsches 50. Todestag) von einer zweiten Totenmaske berichtete, die schon am Tag unmittelbar nach seinem Tod auf Veranlassung von Adalbert Oehler (dem Vormund und Vetter des geisteskranken Nietzsche) abgenommen wurde. Der Entstehungs- und Wirkungsgeschichte auch dieser Maske ging der Autor durch Recherchen in Sils-Maria und vor allem im Nietzsche-Archiv Weimar, sowie in Interviews mit noch lebenden Zeitzeugen der Oehler-Familie nach. Nach Abflauen der auch vom Dritten Reich besonders getragenen Nietzsche-Auffassung vom „Zarathustra“ und dem „Umwerter aller Werte“ bekam in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts das aus der Totenmaske inspirierte Nietzsche-Kultbild eine neue, „stillere“, im Affekt zurückgenommene Prägung. Einiges an dieser Auffassung trifft sich mit der einfühlenden ausdruckspsychologischen Bemühung des Autors, vom Gesichtsausdruck der Originalmaske her noch zu wesentlichen, vielleicht sogar vorherrschenden Wesenszügen Nietzsches zu finden.