Wohnen und geistige Behinderung
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Die vorliegende Untersuchung setzt sich mit dem Thema Zufriedenheit und Selbstbestimmung aus der Perspektive der Bewohnerinnen und Bewohner von Wohneinrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung auseinander. Wohnraum als zentraler Lebensraum ist die Grundlage zur Beurteilung indivi-dueller Lebensqualität und zur Untersuchung von Möglichkeiten der Selbstbe-stimmung an. Anhand eines Fragebogens, entwickelt auf Grundlage aktueller Forschungser-gebnisse, wurden Daten zur Zufriedenheit und dem Grad an realisierter Selbst-bestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner erhoben. Die Untersuchung umfasst sowohl die Erfassung der individuellen, subjektiven Wahrnehmung als auch Fremdwahrnehmungen, um diese miteinander zu vergleichen. Mehre Fra-gestellungen wurden damit verfolgt: Wie werden Zufriedenheit und Selbstbe-stimmung aus unterschiedlichen Perspektiven definiert? Schätzen Bewohnerin-nen und Bewohner sich selbst zufriedener ein als Dritte? Stimmen Selbst- und Fremdwahrnehmung überein? Besteht ein positiver Zusammenhang zwischen erlebter Zufriedenheit und Möglichkeiten der Selbstbestimmung? Entstanden ist ein Erhebungsinstrument zur breiten Anwendung in Wohnein-richtungen, welches sich auf bekannte theoretische Konzepte stützt und erfolg-reich angewendet werden konnte. Fragebögen sind ein geeignetes Instrument, um eine Vollerhebung in Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung durchzuführen. Themen wie die Beurteilung der Dienstleistungsqualität und die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner sind zwei Aspekte, die gut aus der individuellen Perspektive beurteilt und eingeschätzt werden können. Dies ist – wie die vorliegenden Ergebnisse zeigen – auch möglich, wenn noch keine Erfahrungen mit einer Fremdbefragung in Form eines Interviews vorliegen. Es liegen Ergebnisse vor aus insgesamt 181 Interviews mit Bewohnerinnen und Bewohnern, Fragebögen von 101 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, 62 Ange-hörigen und 43 gesetzlichen Betreuern. Auf dieser Grundlage erfolgt eine um-fassende Beurteilung der Untersuchungsmethodik sowie Überprüfung und Dis-kussion der formulierten Hypothesen. Es konnte u. a. nachgewiesen werden, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung in vielen Bereichen der Zufriedenheit und Selbstbestimmung nicht übereinstimmen: Zufriedenheit kann nur als sub-jektives Phänomen begriffen und daher nur ergänzend fremdevaluativ beurteilt werden, nie ausschließlich. Sowohl das differenzierte Antwortverhalten auf die geschlossenen Fragen als auch die klaren Beschreibungen und sehr konkreten Vorstellungen der Einzel-nen zu den offenen Fragen zeigen, dass der Fragebogen als subjektives Mess-verfahren zur Erfassung individueller Wahrnehmungen bei der Zielgruppe der Bewohnerinnen und Bewohnern von Wohneinrichtungen für Menschen mit geis-tiger Behinderung vorbehaltlos für eine mündliche Befragung eingesetzt werden kann. Regelmäßige freie Meinungsäußerung stärkt Menschen mit geistigen Be-hinderungen in ihrem Selbsterleben und in ihrer Selbstsicherheit, die eigenen Meinungen und Bedürfnisse zu artikulieren. Vor Einsatz des Fragebogens muss das Ziel, welches mit einer Erhebung er-reicht werden soll, klar definiert sein. So kann die Ergänzung oder Kombination mit anderen Forschungsmethoden wie der Beobachtung, Gruppengespräche und Einzelfallanalyse für eine umfassende Untersuchung bereichernd sein. Für Personen, für die das Interview keine Kommunikationsmöglichkeit darstellt, ist eine Ergänzung alternativer Erhebungsmethoden unerlässlich.