Fremde Nachbarn
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Die vorliegende empirische Studie handelt vom überwiegend friedlichen Zusammenleben der ethnisch und sprachlich heterogenen Bevölkerung im Südwesten von Burkina Faso, das einerseits durch ethnische Grenzen überschreitende Zugehörigkeiten und Gemeinsamkeiten, andererseits aber auch durch Konflikte und Abgrenzungsprozesse gekennzeichnet ist. Die verschiedenen Gruppen – darunter Jaana, Phuo und Lobi – weisen zahlreiche kulturelle, politische, wirtschaftliche und religiöse Gemeinsamkeiten auf. Im 18. und 19. Jahrhundert migrierten ihre Vorfahren aus dem Norden Ghanas in ihr heutiges Siedlungsgebiet. Trotz sprachlicher Grenzen sind die Menschen aufgrund der geteilten Migrationserfahrung und des langen Zusammenlebens miteinander vernetzt, etwa durch Scherzbeziehungen, Ehen, regional verbreitete Kulte oder Dorfgemeinschaften. Zudem haben zahlreiche Verwandtschaftsgruppen fremde Ursprünge, woran sich ihre Mitglieder bis heute erinnern. Die Forschung stellt einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Ethnizitätsdebatte dar, weil sie – anders als die meist auf die politische Dimension der Ethnizität fokussierten Arbeiten – Ethnizität in ihrer Ausprägung im bäuerlichen Alltagsleben der Akteure analysiert. Um den vielfältigen unterschiedlichen Aushandlungsprozessen interethnischer Beziehungen gerecht zu werden, bedarf es einer differenzierten Sichtweise von Ethnizität und ethnischen Grenzen. Zum einen sind historische und regionale Unterschiede bei der Bedeutung von ethnischen Zugehörigkeiten auszumachen. Zum anderen ist rituelle Komplementarität eines der Grundprinzipien der interethnischen Beziehungen. Die Analyse der verschiedenen Handlungsfelder (Bodenrecht, Verwandtschaft, Nachbarschaft und Rituale), in denen Ethnizität bzw. andere Identifikationsmuster eine Rolle spielen, zeigt zudem, dass die Ebene der Diskurse von der Ebene der Praxis der interethnischen Beziehungen unterschieden werden muss. Ethnische Identifikationsmuster spielen in kategorialen Beziehungen (Interaktion zwischen Gruppen) eine geringere Rolle als in personalen Beziehungen (Interaktion zwischen Individuen). Über die Autorin: Michaela Oberhofer studierte Ethnologie und Afrikanistik in Bayreuth, Birmingham und Bordeaux. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Westafrikanische Savanne“ der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main forschte sie eineinhalb Jahre lang in Burkina Faso. Nach ihrer Promotion war Michaela Oberhofer als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz beschäftigt. Im Anschluss an ihre Tätigkeit am Ethnologischen Museum in Berlin arbeitet sie seit 2013 als Afrika-Kuratorin am Rietberg-Museum in Zürich.