Der Zusammenhang zwischen Freihandel und Migration am Beispiel Mexikos
Autoren
Mehr zum Buch
Nach der schweren Schuldenkrise im Jahr 1982 erfolgte in Mexiko ein Paradigmenwechsel vom protektionistischen Entwicklungsmodell der Importsubstituierenden Industrialisierung zu einem neoliberal geprägten Wirtschaftskurs. Dem Beitritt in das General Agreement on Tarifs and Trade (GATT) im Jahr 1986 folgte die Unterzeichnung des für Mexiko politisch und wirtschaftlich bedeutendsten Freihandelsabkommens, das North American Free Trade Agreement (NAFTA), zwischen den USA, Kanada und Mexiko, das am 1. Januar 1994 in Kraft trat. Es war das erste Freihandelsabkommen zwischen zwei Industrieländern und einem Schwellenland. Auf der einen Seite stand die Herausforderung, die großen wirtschaftlichen Asymmetrien der Mitgliedsstaaten zu überwinden, auf der anderen Seite sollten ihre komparativen Vorteile genutzt werden. Im Unterschied zu Integrationsbündnissen wie der Europäischen Union ist innerhalb der NAFTA freie Mobilität der Arbeitskräfte nicht vorgesehen. Im NAFTA-Vertrag sind lediglich Bestimmungen über den zeitlich befristeten Aufenthalt von Geschäftsleuten in den Mitgliedsstaaten enthalten. Aus Sicht der USA und Kanadas könnte die völlige Freizügigkeit des Produktionsfaktors Arbeit angesichts des hohen Immigrationsdrucks aus Mexiko zu nachteiligen wirtschaftlichen Konsequenzen führen. Entsprechend der neoklassischen Außenhandelstheorie könnte als ein wichtiger Effekt des Freihandels die Schaffung zusätzlicher und besser bezahlter Arbeitsplätze in Mexiko erwartet werden, so dass der Migrationsdruck nachlassen und die Anzahl illegaler Migranten in die USA zurückgehen würde. Dreizehn Jahre nach dem Inkrafttreten des Abkommens haben sich diese Erwartungen jedoch nur teilweise erfüllt. Schätzungen zufolge lebten im Jahr 2004 rund sechs Mio. mexikanische Einwanderer illegal in den USA. Im Jahr 2005 betrug die Anzahl der illegalen mexikanischen Migranten, die von der US Border Patrol an der US-mexikanischen Grenze verhaftet wurden, immer noch 1,09 Mio. nach Angaben des US Citizenship and Immigration Services (USCIS), auch wenn ein leichter Rückgang der Migration im Laufe des Abkommens zu registrieren war (in den Jahren 1990-1994 hatte die Anzahl der Verhaftungen noch bei durchschnittlich 1,2 Mio. gelegen). In der Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen Freihandel und Faktormobilität theoretisch und empirisch untersucht. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, ob die Intensivierung der Handelsbeziehungen zwischen Mexiko und den USA im Rahmen der NAFTA dazu geführt hat, Anreize zur Migration zu beseitigen, d. h. ob Handel und Migration Substitute sind. Neben dem neoklassischen Heckscher-Ohlin-Samuelson-Außenhandelsmodell, nach dem Handel und Faktorwanderung als Substitute zu interpretieren sind, wurden acht weitere Modelle betrachtet. Diese erwiesen sich für die Untersuchung als relevant und führten zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Beziehung zwischen Freihandel und Migration. Im empirischen Teil der Arbeit wurde anhand eines Distributed-Lag-Modells untersucht, inwieweit sich die Ergebnisse der theoretischen Ansätze im Fall Mexikos für den Zeitraum von 1966 bis 2004 verifizieren lassen. Zudem wurden weitere wirtschaftliche, soziologische und politische Faktoren identifiziert, welche die mexikanische Migrationsdynamik beeinflussen. Die Ergebnisse deuteten auf eine Simultanität der Expansion von Handel und Migration hin. Freihandel und Migration wären folglich als Komplemente zu interpretieren.