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Julius Goldstein

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Der gebürtige Hamburger Julius Goldstein kam 1902 nach Darmstadt. Dort habilitierte sich der engagierte Philosoph an der Technischen Hochschule. Seine Karriere hatte ihn von Berlin nach Jena und von da über London in die kleine hessische Residenzstadt geführt. In fast 40 Jahren hat ihn ein Tagebuch auf seinem Weg begleitet. Bis zu seinem Tod 1929 entstanden so nahezu zweitausend handschriftliche Seiten. Die hier ausgewählten Texte dokumentieren die Schwierigkeiten eines deutsch-jüdischen Lebenswegs in nichtjüdischer, mitunter antisemitischer Umgebung. Die Aufzeichnungen lassen Goldsteins wissenschaftliche Kontakte und Aktivitäten im In- und Ausland nacherleben, die Nähe zu seinem Lehrer Rudolf Eucken, die wachsende Distanz zu seinem Studienfreund Max Scheler. Deutlich wird auch, wie wichtig sein Werben in Deutschland für die Lebensphilosophie Henri Bergsons und für den Pragmatismus von William James war. Obgleich vielseitig begabt, blieb ihm ein Lehrstuhl und damit der sichtbarste Ausdruck beruflichen Erfolgs lange versagt: Die Akkulturation, die er erfolgreich absolvierte, vermochte es nicht, alle sozialen Barrieren einzureißen. Wie so viele andere deutsche Juden glaubte er sich jedoch 1914 beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs in die Einheit der Nation eingeschlossen. Freilich belehrten ihn schon bald Militarismus, Herrschaftsmissbrauch und Antisemitismus im Heer eines Besseren. Seine eindringlichen Frontschilderungen stellen Tod und Sterben sowie den zunehmenden zivilisatorischen Verfall unter Offizieren und Mannschaften in den Mittelpunkt. Das liest man aus der Perspektive eines jüdischen Offiziers selten. Nach dem Krieg mischten sich Erwerbssorgen für die Familie mit politischen Zukunftsängsten. Mit Verve verfolgte Goldstein das Projekt einer deutsch-jüdischen Kulturnation. Jetzt entstand seine politische Publizistik zum Antisemitismus, zur Pädagogik und zur Presse. Es ging ihm darum, den Dialog zwischen der jüdischen Minderheit und der nichtjüdischen Mehrheit anzuregen. Der Konflikt um seinen Lehrstuhl in den Jahren 1925/26, der sog. „Fall Goldstein“, ist Ausdruck eines weit verbreiteten Antisemitismus an den deutschen Universitäten. In den innerjüdischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik war Goldstein ein strikter Parteigänger des liberalen Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens, für den er 1923/24 eine Vor-tragsreise in die USA unternahm. Mit der Auswahl-Edition der Tagebücher Goldsteins liegen nun die Betrachtungen eines Intellektuellen zu den widersprüchlichen Jahrzehnten zwischen 1890 und 1929 vor. Das sozial-, wissenschafts- und mentalitätsgeschichtliches Interpretationspotential der Aufzeichnungen fasziniert ebenso wie ihr lokalund regionalgeschichtlicher Informationsgehalt. Alle handelnden Personen sind im wissenschaftlichen Kommentar und über einen Index erschlossen.

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2008

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