Menschenbild und Leiblichkeit
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„Ich bin kein isoliertes, weltloses Subjekt, sondern durch meinen Leib in der Welt verankert, die der Horizont ist, innerhalb dessen ich wahrnehmend mit den Dingen kommuniziere. Auf dem Grunde einer Natur, die ich mit dem Sein gemein habe [connaturalité], d. h. aufgrund meiner Leiblichkeit, die mich mit dem Sein verbindet wie die Nabelschnur das Kind mit der Mutter, bin ich fähig, in bestimmten Anblicken des Seins einen Sinn zu entdecken, ohne ihn ihnen selbst kraft einer konstituierenden Leistung erst verliehen zu haben.“ (Maurice Merleau-Ponty) Diese fundamentale und für den Menschen existentielle Bedeutung des Leibes wird von Sigrid Schrage anhand einer phänomenologischen Bestimmung des Leibes nach Merleau-Ponty herausgearbeitet und dem vermeintlich objektiven wahren Wissen gegenübergestellt. Mit einer kurzen historischen Beschreibung von Stationen der Leib-Seele-Problematik im Abendland zeigt sie dem Leser die Bedingungen von Leiblichkeit bzw. von der (Un-)Möglichkeit, Leib zu sein, auf. Die Autorin verknüpft diese leibphänomenologischen Erkenntnisse mit der heutigen, von Gernot Böhme formulierten „ernsten Frage“ nach der Weise, Leib zu sein. Die Frage, inwieweit der Mensch noch Natur ist, sein Leib ist, rückt ins Zentrum der Betrachtung. Denn unser Lebensvollzug und unsere Weise, Dinge und Ereignisse wahrzunehmen, ihnen Raum und entsprechende Bedeutung zu geben, wird durch herrschende Umstände, etwa in Form von gesellschaftlichen Normen, technischer Anonymisierung oder Zeitlosigkeit, empfindlich gestört bzw. bestimmten Normen unterworfen. Das Natur-Sein des Menschen, das Leib-Sein, gerät aus dem Blickfeld und wird verdrängt.