Die politische Situation in Thailand

Ein ganz wichtiges Element unseres Staatswesens, das uns von Thailand unterscheidet, ist die Dezentralisierung der Verwaltung. Wir stöhnen oft über die Probleme bei der Konsensfindung zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung, zum Beispiel in der Kultur, der Bildungs- oder der Sicherheitspolitik. Aber bei allen Mängeln war diese Verteilung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten maßgeblich dafür verantwortlich, dass unser demokratische System der Abwechslung der Macht, in den Jahren seit der Gründung der Bundesrepublik problemlos ermöglichte. Und die Stärke der Demokratie liegt darin, dass die Macht immer wieder in andere Hände gerät. Diktatorische und autoritäre Systeme benötigen Machtzentren, durch deren Kontrolle sie einfache und gründliche Beherrschung erreichen. Im deutschen föderalistischen System ist derzeit eine diktatorische oder autoritäre Regierung schwer vorstellbar. Wäre man der Politik von Pridi Banomyong, dem großen Sozialreformer und vielleicht größten und visionärsten Politiker, den Thailand jemals hatte, gefolgt, der sich für eine Dezentralisierung der Macht und Verwaltung einsetzte, wäre es in Thailand vermutlich zu einer anderen Entwicklung gekommen. Aber die Kräfte, die ihn 1947 endgültig entmachteten, wollten eben kein demokratisches Thailand und keine sich selbst bestimmenden Bürger. Pridi war damals auf dem Weg, den Provinzen mehr Autonomie zu geben, mehr Verantwortung und Gestaltungsfreiheit.