Das erste Psychologie-Institut der Welt
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Auszug100 Jahre Psychologisches Institut an der Universität Leipzig – so könnte der Titel dieser Publikation auch lauten. Mit ihr wird beabsichtigt, einen Beitrag zur 600-Jahrfeier der altehrwürdigen Almamater Lipsiensis zu leisten. – Die Universität Leipzig hat bei der historischen Genese einer empirisch fundierten wissenschaftlichen Psychologie eine große Rolle gespielt. Dieser Tatbestand ist mit dem Wirken der Forscherpersönlichkeit Wilhelm Wundt eng verknüpft, der hier 1879 das erste Psychologie-Institut im Weltmaßstab gegründet und anschließend fast vier Jahrzehnte als Direktor geleitet hat. Daraus versteht sich, dass sein wissenschaftliches Lebenswerk als Forscher, Organisator und außerordentlich produktiver Autor im Zentrum des ersten Kapitels steht. – Im zweiten Kapitel wird sein Nachfolger Felix Krueger in den Mittelpunkt gerückt, der allerdings mit seinem Führungskreis eine von Wundt stark abweichende theoretische Konzeption entwickelte. Die sog. „Leipziger Ganzheitspsychologie“ konnte jedoch den methodologischen Normativen einer Wissenschaft nur beschränkt genügen und verlor daher – trotz der Bemühungen, sie dem NS-System dienstbar zu machen – schon Jahre vor dem Ende des 2. Weltkrieges stark an Bedeutung. Die Nach folger Kruegers, die Professoren Klemm, Volkelt, Lersch, Rudert, waren untereinander in Diadochenkämpfe verwickelt und konnten, verschärft durch die katastrophalen Kriegsfolgen, den totalen Verfall des ehemals berühmten Wundt-Instituts nicht aufhalten. – Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem Wiedererstehen der Leipziger Psychologie unter den Bedingungen der DDR. Obwohl das Institut weiter existierte, verlief doch der Start einer geordneten Arbeitsweise in den ersten Nachkriegsjahren sehr schleppend und kompliziert. Erst 1951 wurde der desolate Zustand regierungsamtlich beendet. Nach den ersten Institutsdirektoren, den Professoren Struck und Fischel, wuchs eine Generation junger Wissenschaftler heran (Hiebsch, Clauß, Kulka, Kossakowski u. a.), die die stark von der sowjetischen Psychologie geprägten theoretischen Positionen schöpferisch auf die Leipziger Verhältnisse anwandten. Zum Höhepunkt der Institutsentwicklung gestaltete sich der XXII. Internationale Kongress der Psychologen (IUPS) im Jahre 1980, der zu Ehren des 100. Jahrestages der Wundt’schen Institutsgründung in Leipzig statt fand. Der Kongress führte zu einem massiven Entwicklungsschub am Leipziger Institut. Das Auf und Ab in den drei Etappen der Institutsentwicklung, wichtige wissenschaftliche Leistungen, Forschungsschwerpunkte, aber auch Biographien der jeweiligen Führungspersönlich keiten sollen hier ebenso wie relevante politische und soziale Rahmenbedingungen erörtert werden. Die Schrift richtet sich nicht nur an Fachpsychologen, sondern auch an andere Interessierte, besonders an Sozial- und Geisteswissenschaftler. Eine allgemeinverständliche sprachliche Darstellung dieser Probleme wird angestrebt. Für die Förderung dieser Publikation möchte ich der Rosa-Luxemburg-Stiftung-Sachsen (besonders dem Geschäftsführer Prof. Klaus Kinner), für die Unterstützung bei der Endredaktion und Layout-Gestaltung Herrn Dr. habil. Lutz Höll herzlich danken. Walter Friedrich Leipzig, im März 2009