Modulation der Transmitterfreisetzung in vestibulären Typ II Haarzellen durch pharmakologische Inhibition von drucksensitiven Kaliumströmen
Autoren
Mehr zum Buch
Die Gleichgewichtssinneszellen des Innenohrs, die vestibulären Haarzellen, reagieren auf Linear- und Winkelbeschleunigungen des Kopfes. Diese mechanischen Reize führen zur Transmitterfreisetzung am basalen Zellpol der Zelle. Ein komplexes Zusammenspiel von Ionenkanälen, insbesondere Calcium- und Kaliumkanälen, bewirkt eine präzise Regulierung dieser Reizweiterleitung. Von besonderem pathophysiologischen Interesse sind dabei drucksensitive Kalium-ströme. Durch diese kommt es bei erhöhtem hydrostatischem Druck in der Umgebungs-flüssigkeit zu einer reduzierten Depolarisation des Membranpotentials und damit zu einer Verminderung der Transmitterfreisetzung. Eine pathologische Druckerhöhung im Innenohr wird als Ursache der Entstehung der Menièrschen Schwindelerkrankung angesehen. Cinnarizin ist eines der wenigen Medikamente, das in der Therapie des vestibulären Schwindels erfolgreich angewendet wird. Bisher wurde eine Blockade von Calciumkanälen als Wirkmechanismus angenommen, die in vitro allerdings erst bei Konzentrationen eintritt, die therapeutisch nicht erreicht werden. In der vorliegenden Arbeit wurden die Effekte von Cinnarizin auf die Transmitterfreisetzung in vestibulären Typ II Haarzellen des Meerschweinchens mittels der Patch-Clamp-Technik und kontinuierlicher Messung der Membrankapazität beziehungsweise -oberfläche untersucht. In Konzentrationen deutlich unter denen, die für eine Calciumkanalblockade erforderlich waren, hemmte Cinnarizin drucksensitive Kaliumströme. Weiter konnte experimentelle Evidenz dafür erbracht werden, dass damit druckbedingte Abschwächungen von stimulusinduzierten Depolarisationen normalisiert werden und es so zur verstärkten Aktivierung von Calciumströmen und dadurch auch zu vermehrter Transmitterausschüttung kommt. Diese Ergebnisse tragen zu einem verbesserten Verständnis der pathophysiologischen Vorgänge bei, die bei Morbus Menière auf zellulär-molekularer Ebene wahrscheinlich wirksam werden. Gleichzeitig belegen Sie einen anderen als bisher vermuteten Wirkmechanismus des Cinnarizins und lassen die Hemmung von drucksensitiven Kaliumströmen als einen interessanten Angriffspunkt für zukünftige Arzneimittelentwicklungen erscheinen.