Was ist des Richters Vaterland?
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Die vorliegende Arbeit antwortet in mehrfacher Weise auf offene Forschungsfragen. Angesiedelt zwischen Rechtsgeschichte und Neuerer Geschichte fragt sie am Beispiel des Landgerichts Braunschweig zum ersten Mal empirisch danach, was vor deutschen Strafgerichten zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik geschehen ist. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen drei Fragen: Waren die Richter des Kaiserreichs tatsächlich eine monarchisch-obrigkeitsstaatlich orientierte Elite? Übten diese Richter „Klassenjustiz“, wie der Vorwurf der Sozialdemokratie lautete? Und waren die Justizjuristen zu Beginn der Weimarer Republik grundsätzlich gegen die neue Staatsform eingestellt, um damit zu ihrem Untergang beizutragen? Die Antwort lautet, wenn man die bisherige Forschung zugrunde legt, in allen drei Fällen „ja“. Die vorliegende Studie weckt erhebliche Zweifel an dieser eindeutigen Antwort. Die traditionelle, bildungsbürgerliche Richterschaft in Braunschweig war jedenfalls eine partikulare Elite und keine deutsche. Sie übte keine „Klassenjustiz“ im Sinne Liebknechts, sondern versuchte vor Gericht – ganz besonders nach der Revolution – zur gesellschaftlichen Konsensstiftung beizutragen. Klassenjustiz fand eher bei Eigentums-, Gewalt- und Sexualdelikten statt. Hier maßen die Richter Täterinnen und Täter an bürgerlich idealisierten Menschenbildern. Seit 1890 änderte sich die Sozialstruktur der Richterschaft langsam. Sie wurde kleinbürgerlicher – und deutscher.
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- ISBN
- 9783830519058