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Tradition, Einfachheit, Verzerrung und Brechung

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Benjamin Britten ist nicht ohne Grund einer der meistgespielten neueren Komponisten dieser Zeit. Seine Fähigkeit, Sängern und Instrumentalisten quasi ›auf den Leib zu schreiben‹ und die effektvolle Eingängigkeit seiner Musik sind aber nicht die ausschließlichen Gründe für seinen Erfolg. Die Überzeugung, dass Brittens Musik stilistische Idiomatik, melodische Qualität und strukturelle Substanz besitzt, führte zu der Abfassung der vorliegenden Arbeit. Da der Großteil der vorhandenen Literatur auf die Opern- und Vokalwerke abzielt, liegt hier der Fokus auf dem Instrumentalwerk. Brittens Musik wird zunächst in ihren Bezügen auf die musikgeschichtliche Tradition, auf andere Komponisten und auf bereits existierende Kompositionen betrachtet. Das Spektrum reicht dabei von Dowland im 16. bis hin zu Stravinskij und Lutosławski im 20. Jahrhundert. Gleichzeitig steht der besondere Aspekt der ›simplicity‹ im Vordergrund. Die Schlichtheit, die Brittens Musik in vielerlei Hinsicht auszeichnet, erweckte gerade in der zweiten Jahrhunderthälfte Misstrauen. Dennoch ist ohne die Grundeigenschaft der ›simplicity‹ der Stil Brittens nicht denkbar. Eine wichtige Rolle spielt die persönliche psychische Disposition. 'Britten’s child-like-ness is the mainspring of his creativity'. Mit diesem Satz zeigt der britische Britten-Forscher Palmer einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der Musik Benjamin Brittens auf. Eine besondere Affinität zur kindlichen Sphäre bleibt Britten zeitlebens erhalten. Benjamin Brittens Hang zu allem Kindlichen, Naivem und Unschuldigem zeigt sich in seiner Lebensgeschichte, seinen speziell für Kinder konzipierten Werken, aber auch im Personalstil seiner Kompositionen. Speziell Brittens Instrumentalmusik soll in dieser Arbeit im Hinblick auf die Einfachheit untersucht werden – Einfachheit als substantielle Eigenschaft, nicht als Merkmal eingeschränkter Qualität. Brittens Musik weist jedoch auch Gegenpole zu dieser Naivität auf – Ambiguität, Parodie, Sarkasmus, Bedrohlichkeit, Mehrschichtigkeit. Als musikalischer Ausdruck des 'Zeitalters der Angst' (vgl. das gleichnamige Versepos von Brittens Freund W. H. Auden) können Brittens ›dance of death‹-Sätze (die jahrhundertealte Totentanz-Traditionen aufgreifen) sowie die Mittel der ›distortion‹ (Verzerrung) und der ›stratification‹ (als Gegenüber kontrastierender, auseinanderklaffender Schichten des Tonsatzes) gelten. Am Ende dieser keineswegs enzyklopädisch, sondern vielmehr thematisch angelegten Arbeit über Benjamin Brittens Instrumentalkompositionen stehen Überlegungen über die spezifische ›Klassizität‹ dieses Komponisten.

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2012

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