Gustav Jacobsthal - ein Musikologe im deutschen Kaiserreich
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Diese erste Biographie Gustav Jacobsthals (1845–1912), eines der Begründer der neueren Musikwissenschaft, ist ideen- und kulturgeschichtlich orientiert. Die Darstellung basiert auf bisher nicht erschlossenen Quellen, so u. a. auf Briefen Jacobsthals und den Lebenserinnerungen seines Sohnes Erwin Jacobsthal. Leben und Wirken des Musikwissenschaftlers, Chorleiters und Komponisten werden erhellt im Umfeld der jüdischen Familie, der akademischen Institutionen in Berlin vor und nach der Reichsgründung, der „Berliner Schule der Musikwissenschaft“, der Verhältnisse an den Universitäten in Wien und besonders Straßburg. Die Verbindungen zu akademischen Kollegen, Freunden und Schülern, wie Heinrich Bellermann, Wilhelm Scherer, Albert Schweitzer u. a. erhalten ihre Gewichtung. Im zweiten Teil der Biographie wird Jacobsthals Haltung als Forscher, nämlich die Aktualität seiner empirischen und skeptischen Methode für eine moderne Musikwissenschaft beschrieben. Jacobsthal sah sich der Pluralität der Geisteswissenschaften seiner Zeit verpflichtet und nahm Anregungen von Philipp Jaffé, Hermann Graßmann, Carl Stumpf u. a. auf. Gustav Jacobsthal ging zwischen den widersprüchlichen Traditionen der Berliner Vokalschule, des Judentums, des Kulturprotestantismus, der katholischen Choralrestauration, des Klassizismus und der ihm nachfolgenden, sich fälschlicherweise auf ihn berufenden Schule einen eigenständigen Weg. Der Autor: Peter Sühring, geb. 1946 in Berlin, studierte Musik- und Literaturwissenschaft sowie Philosophie in Tübingen und Berlin. Er publizierte mit Bezug auf Jacobsthals Nachlass Studien zum Rhythmus der Trobadors (2003) und zu Mozarts frühesten Opern (2006) und edierte zwischen 2001 und 2010 Teile aus Jacobsthals Nachlass, zuletzt aus dessen Straßburger Vorlesungsskizzen und Studien (2010). Er lebt als Musikhistoriker und -schriftsteller in Berlin. *** This first biography of Gustav Jacobsthal (1845-1912), one of the founders of modern musicology, is focused on the history of ideas and of culture. It is based on previously unexamined sources including Jacobsthal’s letters and the memoirs of his son Erwin. The life and work of the musicologist, choirmaster and composer are revealed in the contexts of his Jewish family, of the academic institutions in Berlin and of conditions at the universities of Vienna and Strassburg. Contacts with colleagues, friends and pupils including Heinrich Bellermann, Wilhelm Scherer and Albert Schweitzer are given their due emphasis. The second part of the biography describes Jacobsthal’s attitudes as a researcher, in particular the relevance of his empirical and sceptical method for modern musicology. Jacobsthal was committed to the plurality of the humanities in his time and took inspiration from, among others, Philipp Jaffé, Hermann Grassmann and Carl Stumpf. Gustav Jacobsthal went his own way between the contradictory traditions of the Berlin vocal school, Judaism, cultural Protestantism, the restoration of the Catholic choral tradition, classicism and the school that followed it and wrongly invoked its name.