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"Kopernikanische Wende" und die "kosmologische Kränkung" der Menschen der Neuzeit

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Die Entdeckung des Kopernikus, dass nicht die Erde, sondern die Sonne sich im Zentrum des Universums befindet, stellte zwar im Jahre der Erstveröffentlichung dieses Konzepts 1453 eine wissenschaftliche Innovation dar. Doch Ansätze dazu, das heliozentrische Modell im lateinischen Mittelalter als eine mögliche Konstruktion zu diskutieren, lassen sich bis ins 14. Jahr-hundert zurückverfolgen. Auch Giordano Brunos Vorstellung von der Vielzahl der Welten, die eine Unendlichkeit des Universums voraussetzt, ist so originell nicht. Denn erstens wurde diese These bereits im 13. Jahrhundert an der Sorbonne gelehrt, von der Kirche dann aber verboten. Zweitens jedoch stammt Brunos Argument, dass das Universum eine unendliche Sphäre sei, deren Peripherie nirgends und deren Zentrum überall sei, bereits aus dem Liber viginti quattuor philosophorum (Buch der 24 Philosophen) aus dem 12. Jahrhundert. Hier schließt auch Blaise Pascal an, der angesichts der Unendlichkeit zwar einen Schauder erfährt, der jedoch mit dem gleichen Argument der 24 Philosophen und Giordano Brunos den Betrachter dieses Unendlichen ins Zentrum des Universum stellt: Wenn das Zentrum des Universums überall ist, dann befindet sich sein Betrachter logischerweise immer im Zentrum des Universums. Von einer Dezentrierung der Erde und erst recht von einer Dezentrierung des Menschen kann nicht die Rede sein, sondern das Gegenteil ist der Fall. Die sogenannte Kopernikanische Wende scheint somit eher eine rhetorische Volte der Neuzeit zu sein, denn sie hat aus der Sicht der Zeitgenossen, die des Kopernikus’ Werk durchaus zur Kenntnis nehmen und die es wie Gottsched sogar feiern und mit der Leistung des Columbus vergleichen, nicht stattgefunden. Sie ist eine Erfindung späterer Jahrhunderte ebenso wie die 'kosmologische Beleidigung', die Sigmund Freund im Jahre 1917 als eine der Grundbeleidigungen des Menschen der Neuzeit identifiziert. Sie erscheint vor dem Hintergrund des 1. Weltkriegs eher als eine kulturpessimistische Projektion, denn als eine philologisch und historisch begründete und nachgewiesene Tatsache in der Seelengeschichte des neuzeitlichen Menschen. Die Thesen von der Kopernikanischen Wende und der kosmologischen Beleidigung sind geschichtsphilosophische und wissenschaftsgeschichtliche Mythen. Sie bauen auf dem Mythos vom geschlossenen Universum des Mittelalters auf, um vor diesem Hintergrund die Überlegenheit der Neuzeit vor allen anderen Epochen der Menschheitsgeschichte postulieren und rhetorisch vertreten zu können.

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2012

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