China und die Psychoanalyse
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Ist Sigmund Freud nicht trotz seiner Revolution von den Voraussetzungen europäischen Denkens abhängig geblieben? Belässt er nicht aus diesem Grund einige Aspekte der analytischen Praxis, die er theoretisch nicht erfassen konnte, im Dunklen? Um sich dessen bewusst zu werden, muss man Europa verlassen. Was der Sinologe François Jullien hier anbietet, sind fünf vom chinesischen Denken abgeleitete Konzepte, in denen sich das, was in einer psychoanalytischen Kur geschieht, besser reflektieren und vielleicht auch besser verstehen lässt. Sie sind im traditionellen chinesischen Leben und Denken verankert und können für uns in Begriffe gefasst werden als: Disponibilität hinsichtlich der Aufmerksamkeit des Analytikers; Allusivität hinsichtlich des Redens des Analysanden; als das Beiläufige und Umwegige hinsichtlich der methodischen Ambition; als De-Fixierung hinsichtlich des Zieles der Kur und schließlich als eine stille Transformation im Hinblick auf das, was tatsächlich vor sich geht und das Resultat sein soll. Diese fünf Kapitel des Buches sind Vorschläge Julliens, die Psychoanalyse aus einem erweiterten Blickwinkel neu zu entdecken. Sie sind zugleich Entdeckungen des Verdeckten in den Faltungen und Festlegungen des europäischen Denkens aus einer außereuropäischen Sicht.