"... der deutschen Studentenschaft und unserem Rechtsleben manchen Anstoß geben" - zwischen Verein und Verbindung, Selbsthilfeorganisation und Studienvereinigung - juristische Zusammenschlüsse an deutschen Hochschulen ca. 1870 - 1918
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Ab etwa 1850 und verstärkt nach der Reichsgründung von 1871 entstanden an deutschsprachigen Universitäten etwa 40 akademisch-juristische Vereine, die sich ab 1887 mehrheitlich in einem eigenen Verband zusammenschlossen. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg erlebte er einen Niedergang, so daß nach 1918 nurmehr einige wenige Vereine existierten. Für viele Juristen, in der Mehrzahl Rechtsanwälte, waren die Vereine konstitutiver Bestandteil ihres späteren Lebens, welcher nicht überschätzt, keinesfalls aber auch unterschätzt werden sollte. Die Mitgliedschaft war Ausweis des akademischen Status und der Zugehörigkeit zur Oberschicht, gab Auskunft über den gesellschaftlichen und politischen Standort und rundete die akademische Persönlichkeit ab. Insofern gehören die Vereine in den Bereich der Elitenforschung, zugleich aber auch zur Sozialgeschichte deutscher Juristen. Begründet lag die Entstehung der Vereine einmal in den Spezifika des juristischen Studiums, der unzureichenden Organisation des Rechtsstudiums. Sie wurden als Fachvereine gegründet, im Grunde als vereinsmäßig organisierte Seminare zur Erörterung und Bearbeitung wissenschaftlicher Fragen. Daraus resultierte ein ambivalentes, spannungsreiches Verhältnis zum rechtswissenschaftlichen Fachprinzip, das zwischen notwendiger pragmatischer Examensvorbereitung und erwünschter wissenschaftlicher Auseinandersetzung schwankte. Andererseits adaptierten die Vereine den studentischen Traditionalismus, die älteren Formen, historisierten, archaisierten und romantisierten sich dadurch und gewannen so festen Boden unter den Füßen. Das bedeutete das sukzessive Bekenntnis zu Duell und Mensur sowie die Hierarchisierung der inneren Strukturen und beinhaltete den Anspruch auf soziale Gleichstellung und gesellschaftliche Anerkennung, war aber auch eine Emanzipationsbewegung, die auf Beteiligung an kultureller Deutungshoheit zielte, auf Integration in Bedeutungs- und Berechtigungsstrukturen. Diese soziale Wirklichkeit bestimmte das Bewußtsein der Mitglieder, und es ist bezeichnend, daß Duell und Mensur niemals, obwohl strafgesetzlich verboten, ernsthaft in Frage gestellt wurden – und das von Vereinen, die sich die Rechtswissenschaft zum Gegenstand ihres Lebens und Strebens gemacht hatten. Gepaart war dies mit politischen Einstellungen wie der vorwiegenden Verortung im Nationalliberalismus, aber auch Nationalismus und Antisemitismus mit Querverbindungen zu Alldeutschen, Flotten-, Wehr-, Ostmarkenverein und ähnlichen Zusammenschlüssen. Innerhalb der deutschen akademischen Eliten stellten die Mitglieder akademisch-juristischer Vereine als Exponenten deutschen Bürgertums einen nicht unbedeutenden, aber weitgehend unbekannten Anteil, dessen Einfluß keineswegs unbeachtlich war. Namen wie Heinrich Schönfelder, Carl Friedrich Sartorius oder Roderich von Stintzing sprechen für sich.