Der geborgte Spiegel
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Sie war auch in Deutschland niemals wirklich weg. Sie hatte sich nur verkrochen in eine Nischenexistenz, von der zivilen Mehrheitsgesellschaft ignoriert oder belächelt: die militärische Uniform. Mit ihrer Rückkehr auf die Straßen und Bildschirme ist der Zeitpunkt gekommen, sie als Bildeffekt zu analysieren, als seit 150 Jahren wirksame sartoriale Körpertechnologie und semiotisches Prinzip. In ihrer Gleichzeitigkeit von semantischem Überfluss und subjektiver Verleugnung wird die Uniform zur Bildstörung. Die Prozesse der Zu-, Um und Überschreibung verdichteten sich mit Hochkonjunktur von Militär, medialer Herrschaftsinszenierung und privater Porträtphotographie im Kaiserreich. Doch Verbreitung und Prestige der Uniform im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert markieren zugleich einen kritischen Punkt in der psychohistorischen Entwicklung der westlichen, in besonderer Weise allerdings der deutschen Gesellschaft. Denn die Uniform war in all ihrem Glanze gerade Symptom einer Krise männlicher Subjektivität, eine Textil gewordene Geste kompensatorischer Frustration im Angesicht der Moderne als Zeitalter der Sichtbarkeit, zu dessen Hauptagenten die photographischen Medien zählen und in besonderer Weise das Kino als paradigmatische Kulturtechnik. Der uniformierte Körper antwortet dem Imaginären und wird sich selbst zum Bild: in dem Hochzeitsphoto des unbekannten Infanterie-Vizefeldwebels um 1911, in den Wochenschaubildern der Kaiserparaden oder in der Portiersuniform in F. W. Murnaus ›Der letzte Mann‹ (1925). Das Kino als der wiedergewonnene Spiegel, als das exhibitionistische wie fetischistische Medium ›par excellence‹ (Metz), wiederholt die illusorische Erfüllungsstruktur der Uniform. Bild und Narration dekonstruieren sich dabei oft gegenseitig, so dass mit den Bildern des Triumphes immer wieder die Geschichte der Kastration erzählt wird und sich im Bannkreis der Uniform Erzählungen ablagern, in denen sich die deviante Lust am männlichen Körper manifestiert. Dabei wird eine Linie erkennbar, die vom ›Hauptmann von Köpenick‹ zu Travis Bickle in ›Taxi Driver‹ (1976) führt, von Berlin vor dem Ersten Weltkrieg nach New York post Vietnam – und darüber hinaus auf die Cover der aktuellen Zeitgeistmagazine, in die Bildwelt der Egoshooter und die Bekennervideos auf Al Jazeera.