Die Ästhetik des Leibes
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Heinrich Wittenwilers um 1400 entstandenes Versepos „Der Ring“ gehört zu den bedeutendsten literarischen Werken des Spätmittelalters. Der in nur einer einzigen Handschrift überlieferte Text gibt der Forschung vor allem in seiner kunstvollen Verschränkung von didaktischen Elementen und einer derb-komischen bis obszönen Handlung bis heute Rätsel auf. Die vorliegende Untersuchung rückt mit dem Begriff der „Leiblichkeit“ einen zentralen Aspekt des „Ring“ in den Mittelpunkt, dem die Forschung bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Die „Ästhetik des Leibes“ ist ein Plädoyer für ein neues didaktisches Verständnis der Dichtung, das den scheinbaren Widerspruch zwischen Belehrung und Handlung aufhebt. Die in der bäuerlichen Handlung inszenierte Leiblichkeit dient demzufolge nicht zur Bestätigung der Didaxe ex negativo, sondern hat einen eigenen ästhetischen Wert. Begrifflicher Ausgangspunkt für die Untersuchung des Leiblichen im „Ring“ ist die Philosophie des Leibes von Hermann Schmitz. An den drei großen Abschnitten des „Ring“ werden diesbzgl. die verschiedenen Relationen, in denen sich Körper zueinander befinden können, aufgezeigt – vom Begehren der Körper im ersten Teil (Werbung) über die bis zur Verschmelzung gehende Form leiblicher Kommunikation im zweiten Teil (Hochzeit) bis zur aggressiven Fragmentierung und Zerstückelung der Körper im dritten Teil (Krieg). Ergänzt werden die textimmanenten Interpretationen durch philologische und sprachgeschichtliche Analysen. Dabei wird gezeigt, wie das bisherige Verständnis des „Ring“ mit einer negativen Bewertung des angeblichen „törpellebens“ der Bauern zum Teil auch auf unzulässige Eingriffe bei der Transkription zurückzuführen ist. Auch zur Person des sonst gänzlich unbekannten Autors des „Ring“ gewinnt der Leser durch einige hier zum ersten Mal herangezogene Urkunden neue Erkenntnisse.