Messung des neurotoxischen Potentials und der Organverteilung makrozyklischer Laktone in mdr1‐defizienten Mäusen
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Die Makrozyklischen Laktone (ML), zu unterscheiden in Avermectine (z. B. Ivermectin (IVM), Selamectin und Doramectin) und Milbemycine (z. B. Moxidectin (MOX), Milbemycinoxim (MIL)), stellen in der Veterinärmedizin häufig gebrauchte Antiparasitika dar. Im Parasiten führen sie durch die Öffnung von Glutamat- und GABA-gesteuerten Chloridkanälen zu einer schlaffen Paralyse. Die Anwendung ist beim Säuger dagegen durch die Barrierefunktion der Blut-Hirn-Schranke (BHS), an der P-Glycoprotein (Pgp) als Efflux-Transporter die ML unter ATP-Verbrauch aus dem ZNS zurück in das Blutkompartiment pumpt, sehr sicher. Allerdings zeigen insbesondere Hunde der Rasse Collie häufig Vergiftungssymptome nach der Gabe von IVM. Ursache dafür ist eine 4 Basenpaar-Deletion im MDR1-Gen des Hundes (nt230(del4)), welche zu einer unvollständigen Translation des Proteins führt. In gezielt durchgeführten Studien zeigte sich, dass die neurotoxische Wirkung je nach eingesetzter Substanz sehr differierte. So wurde die Gabe von 1 mg/kg MOX von MDR1-defekten Collies gut toleriert, während IVM in der gleichen Dosierung schon Vergiftungsanzeichen hervorrief. Ziel dieser Arbeit war es, die Gehirnkonzentrationen bei fehlendem Pgp für IVM, MOX und MIL zu ermitteln und deren Neurotoxizität zu messen, um eine Aussage über das unterschiedliche neurotoxische Potenzial der einzelnen ML treffen zu können. Als Tiermodell standen Mäuse der CF-1-Linie, die eine natürliche Mutation im mdr1a-Gen aufweisen, sowie mdr1a, b-Doppelknockout Mäuse zur Verfügung. Bei fehlendem Pgp penetrieren IVM und MOX nach Applikation von 0,2 mg/kg vergleichbar in das ZNS, MIL dagegen nur zu 20%. Vergleichbare Werte erreichte man für MIL erst nach Applikation der therapeutischen Dosierung von 2,5 mg/kg. Bei den Applikationsstudien an Wildtyp Mäusen mit intakter BHS stellte sich heraus, dass IVM die geringsten, MOX mittlere und MIL die höchsten Gehirnkonzentrationen aufweist. Somit hat IVM die höchste und MIL die geringste Affinität zu Pgp. Die Neurotoxizität wurde mit Hilfe eines neuen Rotarod-Setups gemessen und verglichen. Es zeigte sich, dass eine höhere Dosierung von MOX (0,7 mg/kg) und MIL (40 mg/kg) als von IVM (0,35 mg/kg) benötigt wird, um eine vergleichbare Beeinträchtigung der Laufperformance auf dem Rotarod zu erreichen. Verantwortlich dafür ist vermutlich die unterschiedliche Interaktion der einzelnen ML mit dem GABAA-Rezeptor. In weiteren Untersuchungen muss geklärt werden, ob dafür eine unterschiedliche Affinität oder die intrinsische Aktivität an dem Rezeptor verantwortlich ist.