Phonologisch-graphematische Bestimmung des deutschen Kernwortschatzes
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Ein in Bezug auf den Begriff „Kernwortschatz“ bestehendes Forschungsdesiderat wird für das Deutsche im Hinblick auf eine synchrone strukturell-grammatische Beurteilung des Wortschatzes gesehen. Diese Studie soll dazu am Beispiel der substantivischen Simplizia der Alphabetfolge A bis F die Frage beantworten, was mit Blick auf die phonologische und die graphematische Struktur eines Wortes als unmarkiert gilt und welche der Wörter des Korpus infolge dessen als zum Kern des Wortschatzes zu zählen sind. Der hier verfolgte Ansatz wendet sich von der bislang vor allem in etymologischer sowie spracherwerbsmäßiger Hinsicht unternommenen Bewertung des Wortschatzes ab und richtet sich stattdessen auf eine synchron-grammatische Analyse. Ein unmittelbarer Vergleich der Wortschatzstruktur bezogen auf verschiedene grammatische Teildisziplinen ist nicht möglich, da in Abhängigkeit von der betroffenen Teildisziplin unterschiedliche Struktureinheiten maßgeblich sind. Für die Ermittlung des strukturell-grammatischen Kernwortschatzes des Deutschen werden die phonologische und die graphematische Struktur der Korpuswörter daher über die Struktureinheit „Silbe“ miteinander assoziiert. Als Silbenkonzept, das diese formale Äquivalenz herstellen soll, dient die sog. CV-Phonologie. Mithilfe des gewählten Silbenkonzepts werden die Silbenstrukturbedingungen im Deutschen ermittelt, relevante Struktureinheiten klassifiziert und die Laut- und Buchstabensequenzen der Korpuswörter segmentiert. Infolge der auf dieser Grundlage analysierbaren Laut- und Schreibstruktur lassen sich die Korpuswörter im Sinne des strukturalistischen Zentrum-Peripherie-Konzepts hierarchisieren. Die unter phonologischer und graphematischer Prämisse als strukturell unmarkiert zu bewertenden Wörter werden als „Kernwörter“ bezeichnet. Durch den expliziten Phonembezug der Schreibung im Deutschen besteht ein klar hierarchisches Verhältnis zwischen phonologischer und graphematischer Wortstruktur. Aufgrund dieser Dependenzbeziehung und aufgrund der unterschiedlichen maßgeblichen Struktureinheiten muss die Untersuchung notwendigerweise zu dem Schluss kommen, dass eine strukturelle Untersuchung des Wortschatzes lediglich in Einzelfällen eine die grammatischen Teildisziplinen übergreifende Entität „Kernwortschatz“ hervorbringt.