Die Krise der liberalen Anthropologie in der Literatur des Bürgerlichen Realismus
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Die vorliegende Arbeit geht den Spuren der Gewalt im Werk Storms, Fontanes und Heyses nach. Ausgehend von der Analyse der Storm-Novelle Ein Bekenntnis, in der ein Arzt seine kranke Frau aus fragwürdigen Gründen in den Tod begleitet, versucht der Autor den Ursachen der vielen Morde und Suizide in der Literatur des Bürgerlichen Realismus auf den Grund zu gehen. Im Zentrum steht die als These postulierte dreifache Krise des liberalen Menschenbildes, die immer wieder imaginiert wird: Der Protagonist verteidigt seinen hegemonialen Status als Bürger, Mann und psychisch autarkes Individuum. Er greift hierbei immer wieder zu manifester, psychologischer, sexueller oder symbolischer Gewalt (Bourdieu); auch gegen sich selbst. In den Novellen der drei Dichter werden Abgründe ausgelotet, die einen subversiven Blick auf die (selbst)zerstörerische bürgerliche Hegemonie (Gramsci) erlauben. In der Arbeit wird aufgezeigt, dass kulturkritische Erkenntnisse Freuds und Webers in der Literatur bereits poetisch vorformuliert wurden. Am Beispiel Storm’scher Novellen untersucht der Autor die Konstruktion männlicher Hegemonie. In Bezug auf Fontanes Werk wird der Fokus auf die Krise des kulturprotestantischen Bürgertums und auf den Entwurf einer humaneren Parallelwelt in Gestalt jüdischer Gruppen gelegt. Abschliessend konzentriert sich die Arbeit in der Auseinandersetzung mit Heyse auf den Bereich des Wahnsinns: Im Fokus stehen sexuelle Gewaltverbrechen. Auffällig ist in vielen Texten die Präsenz des Fantastischen, gerade dort, wo das idealisierte Bild der liberalen Anthropologie (Thomé) Brüche aufweist. So sieht sich die vorliegende Arbeit auch als Beitrag zur Fantastikforschung. Dabei kommt der Autor zu von der bisherigen Realismus- und Fantastik-Forschung abweichenden Ergebnissen, indem er die realistische Literatur als gegenüber der Fantastik ausdrücklich offenes System erkennbar macht.