"Versöhnung ist mitten im Streit"
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Der philosophische und poetische Außenseiter Friedrich Hölderlin erweist sich als einer der wachsten Köpfe der Aufklärungskritik. Mit einer Hellsichtigkeit, welche viele Momente der „Kritischen Theorie“ vorwegnimmt, deutet er auf die um das Jahr 1800 bereits fortgeschrittene Entfremdung der Menschen von der Natur und von sich selbst. Als Gegenmittel erstrebt er eine Kunst, welche „dem Menschen seine Liebe und sein Herz und der Welt den Dank“ wiedergibt: Sie soll die Menschen wieder zusammen- und zur missachteten Natur zurückführen und ihnen so den verlorenen Lebensmut („Herz“) zurückbringen. Dafür bedarf es einer Kunst, welche sich nicht an der damals herkömmlichen Erlebnisdichtung orientiert; Hölderlin versucht mit seinen „Gesängen“ eine solche Kunst zu entwickeln. Hölderlin steht in der Tradition Spinozas. Er lehnt die seit der frühen Neuzeit gängige Trennung von Subjekt und Objekt ab, denn beide sind Elemente der allumfassenden Natur. Der Mensch ist für ihn zwar ein eigenständiges Individuum, aber auch ein Werkzeug der Natur, die durch ihn tätig wird. Damit ist eine viele Paradoxien beschrieben, die Hölderlin statt des üblichen Dualismus gebraucht. Zentrale Metapher ist für ihn das Oxymoron, das „Eine in sich selbst Unterschiedne“ des Heraklit, mit dem Hölderlin das Wesen des Lebendigen, das für ihn zugleich das Schöne ist, kennzeichnet. Damit gerät er in einen unaufhebbaren Gegensatz zur klassischen Kunst. Statt deren „edle Einfalt und stille Größe“ erstrebt er eine auf Wirkung bedachte Kunst, welche die Menschen in ihrer Vielfalt ergreift und zur „Menschengemeinschaft“ zusammenführt.