Kritischer Personalismus
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Es liegen etliche Stellungnahmen in der Philosophie vor, die sich mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob alle Menschen immer schon Personen sind. Helmuth Plessner (1892–1985) bejahte sie und vertrat damit den ausnahmslosen Personalismus, der schon von Immanuel Kant (1724–1804) eingenommen wurde und heute von Robert Spaemann verteidigt wird. Dagegen verneinte sie Max Scheler (1874–1928), weil er überzeugt war, dass Menschen erst zu Personen werden, wenn sie richtig werten. Diese Sichtweise kann als klassischer Personalismus gekennzeichnet werden, der auf einer ‚Apriori-Werte-Hierarchie’ und somit auf einer externen Transzendenz beruht. Der kritische Personalismus hält zwar formal an Schelers Idee der Personwerdung fest, kann sie jedoch aus empirischer Sicht inhaltlich nicht übernehmen, weil es keine Werte-Hierachie gibt, die für alle Menschen gültig ist. Zudem konnte in der postmodernen Philosophie jegliche Bezugnahme auf eine externe Transzendenz (Gott, Weltgeist etc.) als Erkenntnisquelle nicht mehr überzeugen. Postmodern ist die Skepsis gegenüber den legitimierenden Metaerzählungen, wie z. B. der Absolutheit des Geistes, der Hermeneutik des Sinns oder der Emanzipation des vernünftigen Subjekts. Folglich findet man gegenwärtig einerseits jene strenge Sichtweise eines antitranszendental vorgehenden Naturalismus, die dem menschlichen Bewusstsein seinen Ort direkt in der Natur zuweist, insofern unser Geist sie in keiner Weise übersteigt bzw. transzendiert. Damit verbunden ist oftmals ein Anti-Personalismus, weil das Hirnorgan zum Akteur erklärt wird. Zum anderen gibt es eine gemäßigte Position, die im ganzen Menschen den Handlungsakteur sieht, der zwar ein evolutionär entstandenes Naturwesen ist und ein komplexes Bewusstsein entwickelt hat, das aber (noch?) nicht rundweg naturwissenschaftlich erklärbar ist. Durch seine Fähigkeit zur Herstellung von Gültigkeitsbezügen (Wahrheit, Richtigkeit etc.) verbleibt es – so die These – nicht völlig in der Natur, sondern hat dadurch den Zugang zum Raum der (guten) Gründe bzw. zur gesellschaftlichen Kommunikation. Diese Auffassung bildet die Grundlage des kritischen Personalismus, wobei dessen immanente Transzendenz im Fragen nach Gründen zum Vorschein kommt und – ohne Kants transzendentale Freiheitsauffassung in Anspruch nehmen zu müssen – eine anthropologische Vernunft- und Freiheitslehre impliziert. Fragt man nach deren Bedeutung für das Handeln, so ergibt sich ein zeitgemäßer Zugang zu einer personalen Handlungstheorie, die von der evolutions- und kulturell bedingten Möglichkeit der Personwerdung ausgeht. Zwar wurde das Subjekt der neuzeitlichen Bewusstseinsphilosophie in der Postmoderne dezentriert bzw. zu Grabe getragen, aber aufgrund der Wiedergeburt dieses Subjektes – nunmehr im Anschluss an den kritischen Rationalismus als stets fehlbares Handlungssubjekt im Sinne einer potentiellen Person – können plausible Befunde der heutigen Hirnforschung mit alten philosophischen Einsichten in Einklang gebracht werden. [Kursivierungen vgl. WORD-Datei!] Weitere Schlagw.: Willensfreiheit, kritischer Personalismus, Anti-Transzendentalismus, Gewissen