Sehnsucht nach Menschlichkeit
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»Wir stritten uns mit K. übrigens etwas über die Mauer« hält Christa Wolf fest, als sie im Juli 1965 um Mitternacht mit Lew Kopelew und ihrem Mann Gerhard an der Grenze entlang nach Hause fährt. Gerade hatte sie den russischen Germanisten beim Abendessen in Ost-Berlin kennengelernt. Trotz der Meinungsverschiedenheit erhält Christa Wolf 1969 den ersten Brief von Kopelew. In Moskau gilt er seit Ende der 1960er Jahre als »das schwärzeste Schaf«, darf nicht publizieren, nicht auftreten. Fernab der Machtzentrale aber kann er Vorlesungen halten und »verdolmetscht« die neuesten Texte von Christa Wolf. Die jungen Leute in den Sowjetrepubliken sind, wie Kopelew selbst, begeistert. Sie schätzt ihn bald als einen ihrer ersten kritischen Leser, nennt ihn ihren »Ermutiger«. Die Briefe der beiden »Seelenverwandten« drehen sich in der Hauptsache um Literatur – um gelesene Bücher und eigene Texte im Arbeitsprozess, um verschenkte Bände und Weisheiten der Klassiker. Die Herausgeberin Tanja Walenski füllt die Leerstellen in der Korrespondenz Wolf-Kopelew. Wir erfahren nicht nur, dass Lew Kopelew und seine Ehefrau Raissa, Gerhard und Christa Wolf gerne Buchweizengrütze, Kascha, gegessen haben, sondern auch, wie wenig Licht der europäischen Aufklärung noch durch den Eisernen Vorhang in den Lebensalltag im Realsozialismus DDR und UdSSR fiel.