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Es ist nicht so, dass das alte Objekt überholt wird, sondern es wird durch ein anderes ersetzt. Man verkündet: „Jetzt zeigt es sich, dass es von Anfang an ganz anders war.“ Der Prozess der Beschuldigung bewirkt eine Umgestaltung des objektiven Charakters des wahrgenommenen anderen: Der Beschuldigte wird in den Augen der Ankläger zu einer neuen Person. Die öffentliche Beschuldigung erreicht diese Umformung, indem sie ein anderes anerkanntes Motivschema an die Stelle des zuvor verwendeten setzt. Damit die Anklage wirksam ist, darf das Schema nicht willkürlich gewählt werden; die Alternativen müssen so gestaltet sein, dass die moralisch geforderte bevorzugt wird. Der Ankläger muss sich so darstellen, dass das Publikum ihn nicht als privat, sondern als öffentlich bekannte Person wahrnimmt. Er darf nicht als jemand erscheinen, der aus persönlicher Erfahrung handelt, sondern als politischer Mensch, der gemeinschaftlich gepflegte Erfahrungen teilt. Was der Ankläger sagt, muss als Wahrheit anerkannt werden, wobei sich Zeugen und Ankläger als ähnlich empfinden. Der Ankläger muss sich das Recht erarbeiten, im Namen dieser Werte aufzutreten, und vom Publikum als Verteidiger dieser Werte eingestuft werden. Dabei muss er sowohl seine Distanz zum Angeklagten wahren als auch sicherstellen, dass das Publikum diese Distanz ebenfalls spürt.
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DEGRADIERUNG DES „ICH“, Christine Schast
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- 2017
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