Pädagogik als praktische Gesellschaftskritik
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Der grundlegende Stellenwert, der Erziehungs- und Bildungsprozessen für die Produktivkraftentwicklung in kapitalistischen Gesellschaften zukommt, hat im Zuge der neoliberalen Strukturreformen der vergangenen beiden Jahrzehnte eine ebenso quantitative wie qualitative Steigerung erfahren. Konzepte wie ‚Kompetenzentwicklung‘ und ‚Lebenslanges Lernen‘ zielen auf die Fähigkeit zur fortlaufenden (Selbst-)Anpassung an gesellschaftliche Veränderungsprozesse, in erster Linie an die immer rascher wechselnden Anforderungen ‚des Marktes‘. Die einstigen Ansprüche neuzeitlicher Pädagogik, die subjektiven Voraussetzungen für eine vernünftige Selbstbestimmung in individueller und kollektiver Hinsicht zu schaffen, werden dabei faktisch in ihr Gegenteil verkehrt. Entgegen diesen Tendenzen verstehen die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes Pädagogik als eine Form von praktischer Gesellschaftskritik, deren zentrale Aufgabe in der Aufdeckung und Überwindung von gesellschaftlichen Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnissen besteht. Pädagogik ist für sie untrennbar mit der neuzeitlichen Idee der Mündigkeit verbunden, die sich unter neuen geschichtlichen Bedingungen auch immer wieder neu artikulieren muss. Als praktische Befähigung zur denkerischen und handelnden Infragestellung alles bloß Gegebenen in seiner scheinhaften Natürlichkeit können Erziehung und Bildung Subjektwerdungsprozesse freisetzen, die sich äußeren Vorgaben und Instrumentalisierungen entziehen und auf diese Weise zur Humanisierung sozialer Verhältnisse beitragen. In diesem Sinne fragen die Beiträge in unterschiedlichen Zugängen nach den Ansatzmöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven einer kritisch-emanzipatorischen Theorie und Praxis der Pädagogik unter den aktuellen Gegebenheiten.